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Israel geschockt über Tod von 9 Soldaten

■ Rabin: Keine Wiederauflage der Bombardements vom Juli

Tel Aviv (taz) – Der Tod von neun israelischen Soldaten des „Golani“-Eliteverbandes im Südlibanon ist in Israel mit Bestürzung aufgenommen worden. Erst vor drei Wochen hatte US-Außenminister Warren Christopher persönlich einen vielgepriesenen Waffenstillstand vermittelt, nachdem die israelische Armee im Rahmen der Straf- und Abschreckungsaktion „Abrechnung“ den Libanon sieben Tage lang bombardierte. Dabei waren 132 Menschen getötet und fast 400.000 zur Flucht gezwungen worden.

Nun befinden sich die von Israel besetzte „Sicherheitszone“ im Südlibanon und das israelische nördliche Grenzland erneut in Alarmzustand. Die Bevölkerung verbrachte die Nacht zum Freitag in Bunkern. Sie befürchtete Angriffe durch Katjuscha-Raketen der islamischen Hizbollah als Reaktion auf die israelischen Luftangriffe vom Donnerstag nachmittag – die wiederung als Vergeltungsakt für die Tötung israelischer Soldaten durch von Hizbollah gezündete Bomben kamen.

Die jüdische Bevölkerung Israels, die zu 93 Prozent hinter Rabins Operation „Abrechnung“ stand, fühlt sich hinters Licht geführt. Sie wird sich auf traumatische Weise bewußt, daß die Unsicherheit, unter der sie infolge der Besetzung leidet, durch keinerlei Gewaltakte – und seien sie noch so spektakulär-destruktiver Art – weggezaubert werden kann. Premier Rabin und Stabschef Barak drohen mit einem erneuten militärischen Schlag, falls das israelische Staatsgebiet wieder mit Raketen beschossen wird. Eine Eskalation wie im Juli aber solle vermieden werden. Der Ministerpräsident betont zugleich die dringende Notwendigkeit einer israelisch-arabischen Zusammenarbeit im Kampf gegen den islamischen Fundamentalismus. Einstweilen werden die Vorbereitungen für die bilateralen Verhandlungen mit den arabischen Staaten und den Palästinensern fortgesetzt, die in zehn Tagen in Washington wiederaufgenommen werden sollen.

Wie die Zeitung Haarez in ihrem Leitartikel feststellt, gehen die Kampfhandlungen im Norden weiter – ungeachtet der vom amerikanischen Außenminister ausgehandelten „Verständigung“ zwischen Israel, dem Libanon, Syrien und indirekt auch mit Hizbollah. Einer amtlichen Interpretation folgend meint Haarez auch, daß es sich bei den Ereignissen im Südlibanon am Donnerstag eigentlich um gar keine Verletzung der durch Christopher ausgehandelten „Verständigungen“ gehandelt habe. Die konkreten Einzelheiten dieser Absprache bleiben übrigens weiterhin unveröffentlicht.

Auf die Frage, weshalb Israels Militärsprecher mit der Bekanntgabe der Verluste im Südlibanon mehr als 12 Stunden gewartet hat, antwortete Stabchef General Ehud Barak, es bestehe der Brauch, mindestens ein Familienmitglied der gefallenen Soldaten noch vor der Veröffentlichung zu benachrichtigen. Barak sprach auch von einem fortdauernden Zermürbungskrieg im Südlibanon. In diesem Jahr hat Israel 25 Soldaten in der „Sicherheitszone“ verloren, doppelt so viele wie im gesamten Vorjahr. Die ungewöhnliche „Zurückhaltung“, welche sich die Regierung diesmal bei ihrer militärischen Reaktion auf die relaliv große Zahl der Todesopfer auferlegt hat, hängt fraglos mit den neuen Absprachen des US-Außenministers und den syrischen und israelischen Führern während und nach der Operation „Abrechnung“ zusammen. Ein neuer harter israelischer Militärschlag im Libanon würde das Resultat der amerikanischen diplomatischen Initiative – die vielleicht zu einem ersten Durchbruch in den israelisch-syrischen Verhandlungen führt – zunichte machen und könnte die enge und harmonische Zusammenarbeit zwischen Rabin und Christopher gefährden.

Die rechten Oppositionsparteien haben die bisherige Vorsicht der Regierung im Umgang mit der Krise im Südlibanon scharf kritisiert. Einige Oppositionsfraktionen verlangten den Abbruch der Nahost-Verhandlungen, eine wesentliche Erweiterung der israelischen „Sicherheitszone“ bis zum Litani-Fluß oder andere Militäraktionen größeren Ausmaßes. Dies wies Rabin zurück. Amos Wollin

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