: Bezirke verärgert über Reformplan
■ Vorlage zur Verwaltungsreform aus dem Hause von Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) wird von Bezirksbürgermeistern abgelehnt / Künftig nur noch zwölf statt 23 Bezirke / Zentralisierung befürchtet
Wenn am heutigen Dienstag die Senatoren über eine Vorlage zur Verwaltungsreform zu Rate sitzen, werden sie harsche Worte der Kritik einstecken müssen. „Wenn wir schon einmal geladen worden sind, gehe ich auch davon aus, daß wir sprechen dürfen“, gab sich gestern Wilmersdorfs Bürgermeister Horst Dohm (CDU) kämpferisch. Zusammen mit seinem Weddinger Kollegen Jörg-Otto Spiller (SPD) wollen die beiden Sprecher der Koalitionsparteien im Rat der Bürgermeister deutliche Worte für die Vorlage aus dem Hause des Innensenators finden.
Auf Unmut stößt bei der Mehrheit der Bezirke das Vorhaben, gleichzeitig mit der Verwaltungs- auch die Gebietsreform durchzuführen. Dabei, so erinnert sich Dohm, habe der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) versprochen, zunächst den „ersten vor dem zweiten Schritt zu tun“. Nunmehr sei ein „Gemischtwarenladen“ entstanden, der so nicht akzeptiert werden könne.
In naher Zunkunft soll laut Senatsvorlage die Zahl der Bezirke von 23 auf zwölf reduziert werden. „Dadurch entstehen viel zu große Verwaltungseinheiten“, reiht sich Marzahns Bürgermeister Andreas Röhl (SPD) in die Runde der Kritiker ein. Nach dem Heckelmann- Papier blieben lediglich Neukölln, Spandau und Reinickendorf in ihrer jetzigen Form erhalten. Hingegen würden folgende Bezirke jeweils zu einer Einheit zusammengelegt: Marzahn und Hellersdorf; Treptow und Köpenick; Tempelhof und Schöneberg; Zehlendorf und Steglitz; Lichtenberg und Friedrichshain; Wedding und Prenzlauer Berg; Charlottenburg und Wilmersdorf; Tiergarten, Mitte und Kreuzberg sowie Pankow, Weißensee und Hohenschönhausen. Auch die Zahl der Stadträte samt dem Posten des Bürgermeisters soll von bislang sieben pro Bezirk auf fünf schrumpfen – ein Vorhaben, das weitgehend Zustimmung bei den Kommunalpolitikern findet.
Es sind eher „kleinere Details" (Röhl), die neben der Gebietsreform den Vertretern von SPD und CDU in den Bezirken nicht schmecken. So die geplante Einrichtung neuer zentraler Behörden, etwa eines Landesbau-, Landesschul- oder Landesvermessungsamtes. „Ich befürchte, daß gerade ein Landesbauamt sehr viele Kompetenzen übernimmt und damit an den Interessen der Bürger vor Ort vorbeiplant“, glaubt Dohm. Eine „unnötige Zentralisierung“ nennt Spiller das vorgesehene Landesschulamt. Weil die Probleme in Wedding andere seien als in Prenzlauer Berg, werde man die neue Behörde letztlich wieder dezentralisieren müssen. Einsparungseffekte blieben damit auf der Strecke.
Marzahns Bürgermeister Röhl will einige Formulierungen präziser gefaßt haben. So könne der Senat beispielsweise bei „überbezirklichen Verkehrsplanungen“ die Auf- und Feststellung von Bebauungsplänen an sich ziehen. Das sei zwar im Grundsatz richtig gedacht. Aber, so fragt der SPD-Politiker: „Wer schützt uns letztlich vor dem Mißbrauch, der mit solchen schwammigen Aussagen gemacht werden kann?“
Kopfschütteln lösen auch die Überlegungen zum Bezirkshaushalt aus. Einen „unüberlegten Schnellschuß“ nennt Dohm den Vorschlag, wonach die Bezirke schon 1994 einen Doppelhaushalt für die Jahre 1995/96 verabschieden sollen: „Wenn der Haushalt dann zum Tragen kommt, gibt es schließlich unsere Bezirke Wilmersdorf und Charlottenburg in der jetzigen Form nicht mehr – das ist doch widersinnig.“ Dohm mahnte gestern den Senat zu einer „gründlichen Revision“ an. Sonst könnte die Vorlage, die nach der Berliner Verfassung vom Abgeordnetenhaus mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit verabschiedet werden muß, zu einer „Beerdigung zweiter Klasse“ werden. In der jetzigen Form, so die einhellige Meinung von Spiller und Dohm, wird das Papier jedoch keine Zustimmung unter den Parlamentariern im Preußischen Landtag finden. Severin Weiland
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