■ Illustre Illustrierte (13): Auf Schnäppchenjagd
Schluß mit dem unsäglichen Gerede vom „Zeitungssterben“ in der abgewickelten DDR! Mag ja sein, daß das eine oder andere Altlast-Blättchen keinen großzügigen West-Investor fand – aber sind nach dem Mauerfall nicht auch zahlreiche neue Blätter entstanden? Manche kostenlos verteilte Anzeigenzeitung etwa oder Immo Ost, die „Fachzeitschrift für Immobilien aus den fünf neuen Bundesländern und Osteuropa“.
Darunter hat man sich eine Art Otto-Katalog für Besserverdienende vorzustellen. Wer eine kleine Aufmerksamkeit für die Gattin sucht oder eine Belohnung für den Sohnemann, braucht nur einen Blick auf die vielen bunten Anzeigenseiten zu werfen. Sie versprechen günstige „Gebraucht-Immobilien“ aus 40 Jahren Plattenbau-Diktatur; hier ein „kleines Citygrundstück in Cottbus“, dort ein „lukratives Geschäftshaus in Dresden“ und schließlich eine „idyllisch gelegene Eigentumswohnung bei Rheinsberg am See“.
Was Herausgeber und Chefredakteur Karl-Heinz Schories um die Werbeannoncen drumherum schreiben läßt, ist wahre Lebenshilfe für alle Hausbesitzer, Makler und sonstige Spekulanten. Ein schweres Schicksal: Nicht jede Reparatur im Mietshaus darf auf die Mieter umgelegt, nicht jede Investition ohne weiteres abgeschrieben werden. Doch Immo Ost hält unbezahlbare Tips parat, ganz andere übrigens als der Mieterverein. Und was nicht im Heft steht, liefert der Versand: den unentbehrlichen Ratgeber „Die Mieterhöhung in den neuen Bundesländern“ zum Beispiel oder zehn Musterformulare „Kündigung wegen Eigenbedarf“ zum stolzen Preis von fünf Mark. Diese Kosten müssen durch die Miete erst einmal wieder reingeholt werden.
Im Jahre drei nach dem Anschluß hat es Immo Ost allerdings nicht leicht. Die besten Schnäppchen in FNL sind gemacht, attraktive Grundstücke reservieren die Kommunalpolitiker für sich selbst, und die unzähligen PDS-Baudezernenten lassen sich wahrscheinlich erst im dritten Anlauf bestechen. Doch die Zeitungsprofis wissen auch hier guten Rat. Sie preisen verstärkt Immobilien in Polen, Tschechien und Ungarn an. Der Osten ist schließlich weit, und „In-Westoren“ kommen schon rein etymologisch gesehen immer aus dem Westen, oder? Micha Schulze
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