piwik no script img

"Nullrunde" für Entwicklungshilfe

■ Spranger stellt Haushalt 1994 in Höhe von 8,4 Millarden Mark vor: Mehr Geld für Organisationen wie Weltbank oder Europäischen Entwicklungsfonds, weniger bilaterale Hilfe / Abkehr vom "Gießkannenprinzip"

Bonn (epd) – Mit rund 8,4 Milliarden Mark bewegt sich der Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 1994 auf demselben Niveau wie in diesem Jahr. Diese „Nullrunde“ sei „kein Grund zur Freude“, sagte Entwicklungsminister Carl-Dieter Spranger (CSU) gestern bei der Erläuterung der Rahmenplanung für das kommende Jahr.

Als Folge der notwendigen Einsparungen bedarf es laut Spranger im Entwicklungshilfeetat erheblicher Umschichtungen. So steigen die Ausgaben für die multilaterale Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen internationaler Organisationen wie der Weltbank oder des Europäischen Entwicklungsfonds um 300 Millionen auf 2,9 Milliarden Mark. Ihr Anteil an den Gesamtausgaben beläuft sich 1994 auf 35 Prozent.

In derselben Größenordnung geht die bilaterale Entwicklungshilfe zurück, für die mit rund 3,6 Milliarden Mark 43 Prozent der deutschen Entwicklungshilfe vorgesehen sind.

An sogenannten Verpflichtungsermächtigungen für künftige Projekte sieht der Etat 2,7 Milliarden Mark im Rahmen der Finanziellen Zusammenarbeit und 1,15 Milliarden Mark für Technische Zusammenarbeit vor. Zur Unterstützung der Entwicklungshilfe nichtstaatlicher Organisationen sind 1994 unverändert 1,24 Milliarden Mark angesetzt. Davon entfallen auf die Kirchen erneut 290 Millionen.

Als Folge der Einsparungen wird laut Spranger der Kreis der Empfängerländer kleiner, was die Abkehr vom „Gießkannenprinzip“ unterstreiche. Während 1992 noch 78 Dritte-Welt-Länder Entwicklungshilfe erhielten, seien es im nächsten Jahr nur noch 66. Darunter befänden sich auch fünf „neue“ Entwicklungsländer auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion.

Nicht mehr berücksichtigt werden der Rahmenplanung zufolge kleinere Länder, die multilaterale Leistungen erhalten, sowie sogenannte Schwellenländer. Zaire, Togo, Kuba, Liberia, Sudan und Birma werden keine staatliche Entwicklungshilfe aus Bonn mehr erhalten. Auch Thailand, Malaysia, Chile und Brasilien erhalten keine Kapitalhilfe mehr. Für Uruguay, Panama und Venezuela läuft die aus Beratungsleistungen und der Entsendung von Experten bestehende Technische Zusammenarbeit aus.

Albanien, Vietnam, Madagaskar und Eritrea können nach den Worten Sprangers aufgrund ihrer Fortschritte bei Demokratisierung und Wirtschaftsreformen dagegen mit mehr Entwicklungshilfe rechnen. Im Hinblick auf seine Reise nach Südafrika, Botswana und Namibia, zu der er noch in dieser Woche aufbrechen wird, unterstrich Spranger die Notwendigkeit der Unterstützung der schwarzen Bevölkerung Südafrikas. Die im Etat 1994 vorgesehenen 25 Millionen Mark für berufliche Bildung und Existenzgründungen bezeichnete er als „Signal des Vertrauens und der Ermutigung“.

Die Armutsbekämpfung hat nach Darstellung Sprangers Vorrang bei den Entwicklungshilfeleistungen. Als weitere Schwerpunkte nannte Spranger Umwelt- und Ressourcenschutz, Bevölkerungspolitik und Familienplanung sowie Flüchtlungshilfe, für die unverändert 68 Millionen Mark angesetzt sind.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen