Der lange Marsch durch die Parteibürokratie

■ Berliner SPD will auf Parteitag am Wochenende Parteireform beschließen / Mitgliederbefragung bei Sachfragen soll in die Satzung aufgenommen werden

Wenn die Berliner SPD am Wochenende zu einem zweitägigen Parteitagsmarathon zusammentritt, will sie die innerparteiliche Reform vorantreiben. Der Berliner Landesverband, der sich gern als Pionier der bundesweiten Parteireform betrachtet, wird als erster in der Bundesrepublik die Möglichkeit eines Mitgliederbegehrens und Mitgliederentscheides in Sachfragen in die Satzung aufnehmen. Danach soll nach dem Parteitag jeder Sozi Einfluß auf Sachfragen nehmen können, wenn sich ein bestimmter Prozentsatz von Mitgliedern seinem Begehren anschließt. Wie hoch das Quorum sein muß, ist in der Partei noch umstritten und soll am Wochenende diskutiert und abgestimmt werden. Die Diskussionen in den Kreisverbänden hätten jedoch ergeben, so Parteisprecher Michael Donnermeyer gestern, daß auf jeden Fall die erforderliche Zwei-Drittel- Mehrheit zustande komme.

Außerdem liegt den 320 Delegierten ein Antrag zur Abstimmung vor, nach dem der Delegiertenschlüssel geändert werden soll. Um dem Ostteil der Stadt mehr Gewicht zu verleihen, sollen statt bisher 64 Delegierte künftig 73 aus Ostberlin entsendet werden. Eine entsprechende Satzungsänderung sieht vor, daß nicht mehr allein die Mitgliederzahl im jeweiligen Bezirk ausschlaggebend ist, sondern die Anzahl je zur Hälfte nach Mitgliederzahl und Wählerstimmen festgelegt wird. Das trägt dem Umstand Rechnung, daß die SPD in Ostberlin zwar nur über 2.500 der insgesamt 25.000 Mitglieder verfügt, dort aber zum Teil erheblich mehr Wähler hat als im Westteil. Wie Landesgeschäftsführer Rudolf Hartung gestern erklärte, soll die Urabstimmung über Personalfragen auf Landes- und Bezirksebene ebenfalls auf dem Parteitag beraten, aber erst im kommenden Jahr nach entsprechenden Beschlüssen der Bundes-SPD verabschiedet werden.

Ein Schwerpunkt der inhaltlichen Debatte auf dem Parteitag soll das Thema Innere Sicherheit sein. Die SPD fordert unter anderem zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität eine Absenkung der Erklärungspflicht für Bareinzahlungen auf 15.000 Mark und eine Umkehr der Beweislast, so daß der Beschuldigte nachweisen muß, woher er Geldzahlungen erhalten hat. In dem Antrag wird außerdem eine drastische Erhöhung der Strafen für Wirtschafts- und Umweltkriminalität gefordert sowie das Verbot rechtsradikaler Organisationen. Außerdem soll die Berliner Polizei neu strukturiert und die Freiwillige Polizeireserve abgeschafft werden.

Am zweiten Tag wollen sich die Sozialdemokraten mit den Grundzügen einer neuen Außenpolitik und der Beteiligung an UNO- Blauhelmeinsätzen beschäftigen; als Gast wird der neue SPD-Bundesgeschäftsführer Günter Verheugen einen Vortrag halten. kd