: Königliches Alibiparlament in Riad
■ Saudi-Arabien bekommt sein erstes Grundgesetz / Ein „Aschura-Rat“ ohne Macht soll die Opposition beruhigen
Kairo (taz) – „Wir, der König von Saudi-Arabien, haben das Folgende befohlen: Saudi-Arabien ist ein arabischer und islamischer Staat. Seine Religion ist der Islam und seine Verfassung der Koran. Die Regierungsform ist eine Monarchie. Der König muß einer der Söhne oder der Söhne der Söhne König Abdel Aziz bin Saud, des Gründers des Königshauses sein.“ Mit diesen Worten wurde am letzten Sonntag durch den saudischen König Fahd das erste Grundgesetz des Königsreiches verkündet. Gleichzeitig wurde ein 60köpfiger Konsultativrat, der songenannte „Schura-Rat“, durch königliches Dekret berufen.
Nicht daß es vorher ein Verfassungsvakuum gegeben hätte. Diese Annahme wies der König beim Empfang einer Bürgerdelegation zurück. Saudi-Arabien sei auf der Basis des Islam, dessen Methoden, Wertvorstellungen und Rechtsnormen gegründet worden und daran werde sich auch in Zukunft nichts ändern.
Durch das neue Grundgesetz sind kaum politische Umwälzungen zu erwarten. Es schreibt fest, was ohnehin schon politische Praxis war und zementiert die politischen Vollmachten des Königs. War es bislang noch der Rat der weitverzweigten königlichen Familie, der den Kronprinz bestimmte, so fällt dieses Recht nun dem König zu, der seinen Nachfolger jederzeit auch wieder entlassen kann. Der König ist Staatsoberhaupt, Regierungschef und Stabchef der Armee. Er kann Minister, Richter, Generäle, Offiziere, Botschafter und die Mitglieder des neugebildeten Konsultativrates berufen und jederzeit auch wieder entlassen. Alle Bodenschätze sind Eigentum des Staates und damit des Königs. Neben dem Koran und der Sunnah, den beispielgebenden Taten des Propheten Mohammed sind seine Befehle rechtsverbindlich.
Auch die Medien sind durch das Grundgesetz indirekt auf den König verpflichtet. Die Massenmedien müssen sich „freundlicher“ Worte bedienen und dürfen keine Berichte oder Kommentare publizieren, die innere Spaltungen im Königreich zur Folge haben, die Sicherheit des Staates gefährden oder sich störend auf die internationalen Beziehungen des Landes auswirken könnten.
Die Macht des Königs reicht bis in die Familie. „Die Familie ist die Zelle der Gesellschaft. Sie muß erzogen werden auf der Basis des Islam und der Gehorsamkeit und der Loyalität gegenüber Gott und seinem Sachverwalter auf Erden“ – womit der König gemeint ist, der sich für den offiziellen Sprachgebrauch auch den Titel „Hüter der beiden heiligen Stätten des Islam“ Mekka und Medina zugelegt hat.
Auch die Mitglieder des „Schura-Rates“ die von König Fahd persönlich aus dem Kreise der „Leute der Erfahrung, der besonderen Kenntnisse und des Wissens“ ausgewählt wurden, sind für ihre vierjährige Amtszeit auf Religion, Vaterland und ihren Monarchen eingeschworen. Als während des Golfkrieges die Forderung nach Demokratie auch die Scheichtümer auf der arabischen Halbinsel erreichte, hatte König Fahd eine demokratische Öffnung versprochen, um der Opposition im eigenen Lande den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Oppositionelle Stimmen kamen damals aus zwei Lagern: zum einen aus den Reihen der wahabitischen Geistlichkeit, die seit dem 18. Jahrhundert eine Hauptstütze des saudischen Königshauses ist, und angesichts der amerikanischen Truppenpräsenz im Lande in einem regelrechten Krieg der Videokassetten gegen den moralischen Verfall des Landes wetterten. Auf der anderen Seite versuchten saudische Geschäftsleute und Technokraten die verstärkte Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit für ihre Forderung nach Liberalisierung und einer stärkeren Öffnung des Landes zu nutzen.
Auch wenn der „Schura-Rat“ keinerlei Vollmachten gegenüber dem König oder der Regierung hat, ist bemerkenswert, daß fast alle Mitglieder in den USA studierte Technokraten sind, während Vertreter der einflußreichen Geistlichkeit völlig fehlen. Die Einrichtung des Rates darf als offensichtlicher Versuch gewertet werden, die Modernisierungseliten des Landes stärker an die Monarchie zu binden, ohne ihr jedoch wirkliche Mitspracherechte einzuräumen. Ivesa Lübben
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen