: Gehopst wie gesprungen
■ Musikfest für Kinder: Camille Saint-Saens' „Karneval der Tiere“
Endlich durfte man mal in der Oberen Rathaushalle auf dem Boden sitzen. Sich hinknien oder die Beine ausstrecken, hopsen und springen und in den ehrwürdig getäfelten Fensternischen herumturnen. Wie kleine Äffchen, wie rastlose Zugvögel oder umherschleichende Tiger. Die kommen ja gar nicht vor, im Karneval der Tiere von Camille Saint-Saens. Spielt keine Rolle, der Karneval kennt keine Grenzen, und überhaupt ging es ja erst mal darum, die Kinder in die Tierwelt zu entführen. Und in die Welt der klassischen Musik.
In die großen Galas und Events des Bremer Musikfestes reihte sich gestern einer ein, der bunte Bikes, Wimpel und Sturzhelme auf den Domshof zog. Marko Simsas Kindertheater aus Wien war schon letztes Jahr hier zu Gast gewesen, mußte damals spontan eine zusätzliche Veranstaltung geben und brachte diesmal ein neues Musikprogramm mit: Einen spritzig und phantasievoll aufgepeppten Karneval der Tiere.
Camille Saint-Saens hatte seinerzeit das Stück als Jux verstanden und wollte es gar zu seinen Lebzeiten nicht aufgeführt sehen, um „nicht als komischer Komponist dazustehen“. Der derart geächtete Karneval der Tiere ist Saint-Saens' populärstes Werk geworden; es gilt als bestens geeignet, Kindern die klassische Musik nahezubringen.
Die Kinder selbst haben da ihre eigenen Kriterien. Sie mögen Spaß und Action, wollen singen und tanzen, und dann darf die Musik dazu ihrethalben „klassisch“ heißen. Musiker, Schauspieler, Erzähler und Entertainer Marko Simsa gibt sich entsprechend locker. Daß sein weißes Hemd voller weißer Farbspritzer ist und er zwei Tiermasken und einen Krokodil-Schwimmreifen an die Wand gehängt hat, kommt schon mal gut an. Cellistin Irmtraud Madl stellt er als die „Irmi mit dem kleinen Kontrabaß“ vor und Gitarrist Alfred Wittenberger wird mit krähendem Wecker getriezt.
Es beginnt das große Karnevals-Defilee: Alle Tiere respektive Kinder und Instumente geben Laute von sich, gackernde Hühner, schreiende Esel und brüllende Löwen sowieso. Aber auch das sanfte Hüpfen der Känguruhs macht ein Geräusch. Oder das Schwimmen der Fische zu lyrischen Seifenluftblasen im Rathaushallen-Aquarium, „wo die Schiffe eh' schon von der Decke hängen“. Die Tiere, die schon lange tot sind, (“Dinos! „) klappern mit den Xylophon-Knochen. Die zehnköpfige Elefantenherde trampelt im Dreivierteltakt, jeder hält ein Schwänzchen mit dem Rüssel. Da ist Bewegung drin! Bühne und Zuschauerparkett sind eins. Erst beim letzten der neun Karnevalstiere, dem Schwan, entspannt sich das Treiben etwas, ist auch nötig. „Also vom Schwan halt' ich mich fern“, kommentiert ein etwa Zehnjähriger im Tweedjackett.
„In unserem Programm ist jede Minute wohlüberlegt“, sagt Irmtraud Madl in herzerweichendem Österreicherisch, „sonst passiert ein Unglück.“ Marko Simsa macht seit Mitte der Achtziger in Wien Kindertheater, die Konzerte seit gut fünf Jahren. Mit Auftritten in verschiedenen Theatern oder in Schulen. Simsas Vivaldi, Mozart oder Johann Strauß für Kinder werden im heimischen Österreich als einzigartige musikalische Bonbons gehandelt. Zwei bis drei Mal im Jahr ist das Ensemble in Deutschland zu Gast - Bremen „mit seinem tollen Publikum“ erfreut sich des vierten Besuchs.
Höchste Zeit fürs Finale, ein Mädchen hat schon nach dem Ende gerufen. In dem Tohuwabohu wird das Spiel der drei Profis jetzt ziemlich unsauber, aber egal, die Kinder sind fidel, haben den Dreivierteltakt intus und die Obere Rathaushalle endgültig ihrer Hoheit beraubt. Und es gab doch Stühle, für die vielen neugierigen Erwachsenen. Silvia Plahl
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