Streit um Neonazi-Spots geht weiter

Heute abend läuft im Programm des NDR der erste rechtsradikale Radio-Spot/ Kundgebung vor dem NDR-Funkhaus/ Voscherau: Der Intendant selbst soll Bänder einlegen  ■ Aus Hamburg Ulla Küspert

Hamburg (taz) – Heute abend um 17.45 Uhr wird im Radioprogramm NDR 1 („Hamburg- Welle“) des Norddeutschen Rundfunks der erste rechtsradikale Wahlspot im hanseatischen Wahlkampf ausgestrahlt. Eine dreiviertel Stunde zuvor, um 17 Uhr, wollen sich Mediengewerkschafter und Journalisten vorm Funkhaus zu einer Kundgebung gegen Rechts treffen. Der Konflikt im Sender um die Ausstrahlung der Nazi-Spots geht damit in die nächste Runde.

Wie die taz berichtete, haben 450 NDR-MitarbeiterInnen per Unterschriftensammlung erklärt, die Arbeit zu verweigern, wenn sie zur Ausstrahlung der Spots beitragen müßten. Gleichzeitig solidarisierten sie sich mit der Kollegin Astrid Dieckmann-Schrader, die vom NDR abgemahnt worden war, weil sie sich im vergangenen Wahlkampf geweigert hatte zur Ausstrahlung eines „Rep“-Spots beizutragen.

Auf die Erklärung der 450 hatte NDR-Intendant Jobst Plog, der seit kurzem mit einer ARD-Initiative versucht, Wahlwerbung generell aus den Programmen zu kippen, mit einer Hausmitteilung reagiert. Darin verlangte er vorderhand von der gesamten NDR-Belegschaft unbedingte Pflichterfüllung. Zusätzlich startete die Senderleitung eine doppelgleisige Beschwichtigungsstrategie: Alle 450 aufmüpfigen UnterzeichnerInnen wurden vom Intendanten „persönlich/vertraulich“ angeschrieben: „Der Verpflichtung des NDR zur Ausstrahlung der Werbespots entspricht auch ihre persönliche arbeitsvertragliche Verpflichtung.“ Gleichzeitig soll eine Zuspitzung der Situation wie 1991 im Fall Schrader vermieden werden. Landesfunkhausdirektor Winfried Scharlau will „keine Märtyrer schaffen“. Er will möglichst wenig MitarbeiterInnen mit der braunen Propaganda in Berührung bringen.

So werden etwa beim Fernsehen potentielle Verweigerer bei den für die Spotausstrahlung notwendigen Arbeiten von vorneherein ausgespart. Auch bei der „Hamburg-Welle“ hat man sich schon in einem Fall beim Cutten auf ähnliches geeinigt. Gleichzeitig nehmen die Kontrollen des Sendeablaufs auffallend zu, wie Insider berichten.

Auch im Äther beschwichtigt der NDR mit Promi-Spots und dem Satz: „Stell Dir vor es ist Wahl, und alle gehen hin.“ Die von der staatlichen Pressestelle bezahlte Reklame, nach Auskunft der PR-Agentur „IPR+O“ 240.000 Mark teuer, soll die Nichtwähler locken. Nach Meinung des SPD- Spitzenkandidaten Henning Voscherau ist dies das probateste Mittel, die Rechtsextremisten von Rathaus und Bürgerschaft fernzuhalten.

Auch in den Spot-Streit schaltete sich Vorscherau jetzt mit Intendanten-Schelte ein. In einer Live-Sendung des NDR erklärte er eitel: „Ich solidarisiere mich mit Astrid Schrader-Dieckmann.“ NDR-Intendant Plog habe aus der geltenden Rechtslage falsche Schlüsse gezogen. Man müsse die Institution NDR und die einzelnen Mitarbeiter auseinander halten. Wäre er NDR-Mitarbeiter, würde auch er die Arbeit bewußt verweigern. Und dann setzte der studierte Jurist noch eins drauf: „Wenn ich der Intendant wäre und das tun müßte, was er muß, nämlich das Band da einlegen lassen, dann würde ich entweder meinen Chefjustitiar das machen lassen (...) oder ich würde es selbst machen. Aber ich würde nicht Menschen in Gewissenskonflikte bringen.“