■ Das Portrait: E.P. Thompson
Als kommunistischer Panzersoldat kämpfte er im Zweiten Weltkrieg in Italien, als geachteter Historiker führte er in den achtziger Jahren die Großdemonstrationen der britischen Friedensbewegung. Edward Palmer Thompson war ein englischer Rebell – ein insulares Pendant der Dissidenten Osteuropas, mit denen er in der Friedenskoordination END („European Nuclear Disarmament“) zusammenarbeitete.
Im Alter von 69 Jahren ist er am Samstag gestorben.
Nur wenige Linke erkannten so früh den Zusammenhang zwischen Unterdrückung und Unfrieden in Europa. 1956 verließ er aus Protest gegen die sowjetische Ungarn-Invasion die britische Kommunistische Partei und wurde ein Wortführer der Neuen Linken. Mit Perry Anderson zusammen gründete er die Zeitschrift The Reasoner, die seit 1961 New Left Review heißt.
Mit seiner 1963 veröffentlichten Studie The Making of the English Working Class wurde er zum englischen Doyen einer neuen Geschichtsschreibung, die hierzulande nur unzureichend als „Mentalitätsgeschichte“ bekannt ist.
Als feinfühliger, querdenkender Erforscher sozialer Bewegungen gewann er Respekt; als wortgewaltiger Kritiker unpersönlicher Schreibtischtheorien machte er Skandal. Die 1978 veröffentlichte Polemik The Poverty of Theory, eine fulminante Abrechnung mit dem französischen Philosophen und Stalinisten Louis Althusser, war sein endgültiger Bruch mit obrigkeitshörigen Marxisten und auch ein vorübergehender Abschied von der Historie.
Der Dissident Foto: Ralph Rieth
Je mehr er danach, als prominenter Friedensbewegter, den Kalten Krieg der achtziger Jahre nicht nur dem bösen Westen allein zuschreiben wollte und – gegen viel linken Protest – auf Freiheit in Osteuropa beharrte, desto mehr schien er zu vereinsamen; Konservative und Linksdogmatiker fürchteten ihn in gleichem Maß, wie sie ihm mißtrauten.
Die Revolutionen von 1989, die Thompson bestätigten, kamen schon fast zu spät. Zumindest sein Altersprojekt – eine Biographie des verrückten Romantikers William Blake – konnte er noch abschließen. Sie erscheint posthum, eine letzte Bereicherung des englischen kulturellen Lebens, das mit seinem Tod um einiges ärmer wird. Dominic Johnson
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