Der Grüne Punkt stinkt zum Himmel

■ Krisensitzung zur Rettung des Dualen Systems am Freitag / Sonst landet Müll im Laden

Berlin (taz) – Die privaten Müllkutscher haben ein Ultimatum gestellt: Am Montag bleiben die gelben Säcke mit dem Grünen-Punkt-Abfall am Straßenrand liegen, wenn bis dahin ihre Bezahlung für September nicht gesichert ist. Am Freitag wollen sich Abfüller, Entsorger, Händler und Vertreter des Dualen Systems Deutschland (DSD) bei Umweltminister Klaus Töpfer treffen, um eine Lösung für die Finanzkrise des DSD zu suchen. Die Zeit drängt nicht nur wegen des möglichen Müllnotstands: Wenn nichts geschieht, ist das Grüne-Punkt-Kartell in etwa zwei Wochen pleite. Dann haben die VerbraucherInnen laut Verpackungsverordnung nach einer Übergangsfrist von sechs Monaten das Recht, ihre fettigen Fischdosen und stinkenden Milchtüten wieder zum Laden zurückzutragen. Ein Zwangspfand auch für Einwegflaschen, Waschmittelverpackungen und Dispersionsfarbe wäre nicht mehr ausgeschlossen. Ein Horror für jeden Ladenbesitzer.

Grund für die leere Kasse der Gesellschaft, die Konservenbüchsen, Spüliflaschen und Puddingtüten recyceln soll, ist die schlechte Zahlungsmoral der Verpacker. Sie drucken zwar fleißig die grünen Punkte auf ihre Produkte, überweisen aber nur sehr schleppend das Geld ans DSD. 90 Prozent der Verkaufsverpackungen sind inzwischen mit dem Symbol gekennzeichnet, aber nur für 50 Prozent wird die Gebühr bezahlt. 50 Millionen Mark fehlen deshalb jeden Monat in der Kasse; am Jahresende würde sich das Defizit auf 700 bis 800 Millionen belaufen. Auch Mitarbeiter des DSD räumen ein, daß das Kontrollsystem in ihrer Firma bisher ausgesprochen unterentwickelt war und man blauäugig auf die Zahlungsmoral der Vertragspartner gesetzt habe.

Das DSD geht mit einem Konsolidierungsplan in die Verhandlungen, der darauf abzielt, eingefrorene Gelder aufzutauen. Bei der ersten Finanzkrise im Mai hatten der Handel, die Abfüller und Entsorger insgesamt knapp 500 Millionen DM als Darlehen oder Vorauszahlungen zugesagt, um den schon damals drohenden Konkurs abzuwenden. „Jeder hatte das damals mit Bedingungen verknüpft“, so DSD-Sprecher Gunnar Sohn gestern. Das meiste Geld liegt deshalb noch auf einem Sperrkonto. Die Grüne-Punkt-Gesellschaft will jetzt erreichen, daß die Gelder freigegeben werden, und die Entsorger die 200 Millionen Mark, die sie in den letzten Monaten wegen der Zahlungsunfähigkeit des DSD nicht bekommen konnten, stunden.

Die Müllunternehmer, zu denen neben zehn Riesen wie RWE vor allem klein- und mittelständische Firmen zählen, geben sich kompromißbereit. Sie fürchten, daß bei einem Zusammenbruch des DSD etwa 50 bis 70 von ihnen über die Klinge springen. Das wiederum wäre auch für viele BürgerInnen ausgesprochen unangenehm, weil vielerorten die grauen und die gelben Tonnen von denselben Betrieben abgeholt werden. Bundesumweltminister Klaus Töpfer will bei der Krisensitzung am Freitag lediglich moderieren. „Wir lassen die Sache erst einmal auf uns zukommen. Aber intern werden natürlich auch Maßnahmen diskutiert, wenn das DSD zusammenbricht“, sagte sein Sprecher. aje

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