: „Wir wollten ein tapferes armes Volk ehren“
■ Gestern wurde der Aachener Friedenspreis an Haitis Präsidenten Aristide und das Netzwerk Friedenssteuer übergeben / Spenden sollen magere Preissumme erhöhen
Aachen (taz) – „Wir wollten ein tapferes armes Volk ehren; nun haben wir einen offiziellen Staatsgast zu Besuch!“ Herbert Ruhland, Vorstandsmitglied im Verein Aachener Friedenspreis, weiß, wovon er redet, denn schließlich kam der Vorschlag, das haitianische Volk in der Person ihres Präsidenten Jean- Bertrand Aristide zu wählen, von ihm. Jetzt also Sicherheitsstufe eins, eine Suite im teuersten Hotel Aachens und ein Medienrummel, dem die Vereinsmitglieder schier nicht gewachsen sind. Sie fragen sich nun selbst, inwieweit sich denn der – ursprünglich alternativ konzipierte – Friedenspreis überhaupt noch vom Karlspreis der Stadt Aachen unterscheidet. Ziel des Preises ist es, „Männer, Frauen und Gruppen zu würdigen, die ,von unten her‘ dazu beigetragen haben, der Verständigung der Völker und Menschen zu dienen“.
Die nationalen Preisträger, in diesem Jahr das Netzwerk Friedenssteuer, stehen bei dem Rummel um Haitis Exilpräsidenten Aristide etwas abseits. Günter Lott und Reinhard Egel, die zwar nur im Gästehaus der TH logieren, sind aber ausgesprochen froh, zusammen mit Aristide geehrt zu werden, beschert er ihnen doch die nötige Publizität für ihre Sache. Das Netzwerk Friedenssteuer, ein nicht-institutionalisierter Zusammenschluß von inzwischen 5.000 Steuerzahlern, die 20 Prozent ihrer Steuerschuld (dem Anteil am Rüstungshaushalt entsprechend) auf ein Verwahrungskonto einzahlen, besteht seit rund zehn Jahren.
Der Bezug zur aktuellen Situation in Haiti liegt nahe, denn dort kostet die 7.000 Mann starke Armee, die den mit großer Mehrheit gewählten Präsidenten vor zwei Jahren gestürzt hatte, stolze 40 Prozent des Staatshaushaltes. Für Aristide, der laut dem am 3. Juli in New York mit den Putschisten geschlossenen Abkommen Ende Oktober nach Haiti zurückkehren wird, bestärkt der Friedenspreis seine Bemühungen um die Wiederherstellung der Demokratie. Auf die Frage, wie er nach seiner Rückkehr mit den Putschisten verfahren werde, antwortete er anläßlich der Aachener Pressekonferenz auf deutsch: „Wir beantworten Gewalt nicht mit Gewalt.“ Er wolle vielmehr, wie Artikel 147 der Verfassung es ermögliche, den Putschisten Amnestie gewähren. Das schließe aber für die Opfer des Putsches nicht aus, den Rechtsweg zu beschreiten, zumal ja reichlich Blut geflossen sei.
Die offizielle Dotierung des Friedenspreises beträgt nur 2.000 DM. Man hofft daher auf Spenden. Das Netzwerk Friedenssteuer will eventuell Spenden an Deserteure und Kriegsdienstverweigerer im ehemaligen Jugoslawien weiterleiten. Aristide möchte Hinterbliebene des Fährunglücks der „Neptune“ unterstützen, das vor der Küste Haitis mehrere tausend Opfer gefordert hatte. Von den Deutschen erwarte er sich ansonsten vor allem Unterstützung im Erziehungswesen und in der Medizin Haitis. Militärische Unterstützung soll von der UNO kommen: Sie müsse die Armee professionalisieren und beim Aufbau einer separaten Polizei helfen. Birgit Pape-Thoma
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