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Müllentsorger ausgepunktet

■ Grüner Pleite-Punkt gefährdet 300 Arbeitsplätze / Erste Kündigungen sind schon raus / Entsorgungsfirmen vor dem Zusammenbruch   Von Marco Carini

Showdown in Bonn, Schaudern in Hamburg. Vor der entscheidenden Krisen-Sitzung über den Fortbestand des mit 700 Millionen Mark in die Miesen geratenen Dualen Systems Deutschland (DSD) bangen Hamburgs Entsorgungsfirmen um ihre Zukunft. Umweltsenator Vahrenholt befürchtet, „daß hamburgische Unternehmen in den Pleite-Strudel mit reingeraten“.

Sind sie schon. Bereits seit Montag verschicken die fünf in der Arbeitsgemeinschaft „Arge“ organisierten Hamburger Entsorgungsfirmen, die für das Duale System den Verpackungsmüll in Hamburg sammeln und sortieren, Kündigungen an ihre MitarbeiterInnen. „300 Arbeitsplätze sind gefährdet“, räumt Arge-Sprecher Hans-Jürgen Cierzon ein. Seit Mai hat DSD keine Mark mehr an seine Hamburger Vertragspartner überwiesen. Bei der Arge steht DSD schon mit 15 Millionen mark in der Kreide.

„Wenn DSD pleite geht, sind die 15 Millionen Mark weg“, weiß Cierzon: „Es wird nicht einfach, diesen Batzen zu verdauen“. Im Klartext: In der Hamburger Entsorgungswirtschaft drohen nicht nur Entlassungen, sondern auch Firmenzusammenbrüche, die eine weitere „Freisetzung von Arbeitskräften“ nach sich ziehen dürfte. Besonders bedroht sind dabei die Firmen Sanne, Kruse & Pape sowie Melosch, die in der ersten Jahreshälfte zwei Müllsortieranlagen für den Grün-Punkt-Müll in Betrieb nahmen. Die millionenteuren Anlagen könnten nach einem DSD-Zusammenbruch bis auf weiteres eingemottet werden.

Auf weitere Stundungen ihrer Hamburger Vertragspartner kann die Bonner DSD-Zentrale nicht hoffen. „Nur wenn die DSD mindestens die Hälfte seiner Schulden sofort abträgt, können wir weiterarbeiten und uns über die Streckung der weiteren Zahlungen unterhalten“, gibt Hans-Jürgen Cierzon die Marschrichtung der Hamburger Entsorger vor. Doch ob eine Rettung des Pleite-Punktes überhaupt noch möglich ist, weiß auch in der Arge niemand zu sagen. Cierzon: „Wir bekommen von DSD keinerlei Informationen“.

Sollten Handel, Entsorgungswirtschaft und Politik das Duale System, an dem bundesweit rund 17.000 Arbeitsplätze hängen, heute wider Erwarten tatsächlich über die Klinge springen lassen, steht der Notplan für Hamburg bereits fest. Die sogenannte Freistellungserklärung für die Leichtstoff-Fraktion wird entzogen, ab März muß der Handel den Verpackungsmüll an der Ladentheke zurücknehmen. Der sorgfältig getrennte und in die gelben Wertstoff-Säcke gegebene Verpackungsmüll wird „für eine Übergangszeit“ von der Müllabfuhr abgeholt und als ganz normaler Abfall zusammen mit dem übrigen Hausmüll verbrannt oder deponiert. Lediglich das in den Recycling-Containern gesammelte Papier und Glas würde weiterhin einer Wiederverwertung zugeführt.

Berend Krüger, Chef der Hamburger Stadtreinigung ruft die Hamburger Haushalte bereits dazu auf, den Grünen-Punkt-Abfall im Falle einer DSD-Pleite wieder in den ganz normalen Hausmüll zu tun. Dabei verschweigt er nicht, daß die Entsorgung der zusätzlichen Abfallmengen durch die Stadtreinigung unweigerlich eine kräftige Erhöhung der Hamburger Müllgebühren zur Folge hätte.

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