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Genfer Bosnien-Konferenz, letzter Tag

Wie die Verhandlungen zwischen Bosniens Kriegsparteien am Mittwoch scheiterten, ohne daß die Presse es merkte / Ein Tag voller Mißverständnisse und falscher Hoffnungen  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Am Morgen nach dem Abbruch der Genfer Bosnienverhandlungen gab sich „Präsident“ Karadžić, wie er sich gerne nennen läßt, ganz als der friedensbereite Staatsmann. Der bosnische Serbenführer „bedauerte“, daß das „Friedenspaket“ der beiden Vermittler Owen und Stoltenberg an den „unakzeptablen Nachforderungen“ des bosnischen Präsidenten Izetbegović gescheitert sei. Natürlich bleibe das Paket weiterhin auf dem Verhandlungstisch, „bis die Muslime sich eines Besseren besinnen und zurückkehren“. Er, Karadžić, hoffe, daß auch ohne ein unterzeichnetes Abkommen in ganz Bosnien ein Waffenstillstand eingehalten werde.

Das war die Version für die Medien aus aller Welt. Für den Hausgebrauch, im Kreis seiner Delegation und der serbischen Journalisten hatte Karadžić Mittwoch nacht davon gesprochen, „die Muslime“ jetzt militärisch völlig „zerstören“ zu wollen. So groß war seine Wut darüber, daß das Kalkül nicht aufgegangen war, Izetbegović unter dem massiven Druck von Serben, Kroaten und den beiden Vermittlern Owen und Stoltenberg, alleingelassen von sämtlichen EG-Staaten und den USA, schließlich doch zu Kreuze kriechen zu lassen. Die Enttäuschung war um so größer, wie sich im Laufe des Mittwochs im Genfer UNO-Palast immer mehr der Eindruck verdichtet hatte, es werde noch zu einer Einigung kommen.

Die Einschätzung, schon am Donnerstag könne ein Abkommen unterzeichnet werden, wurde von Mitgliedern aller drei Delegationen verbreitet. Nur fünf Minuten bevor Kroatiens Präsident Tudjman kurz nach 19 Uhr mit hochrotem Kopf und sichtlich erregt als erster aus dem UNO-Gebäude stürmte und vor den zumeist völlig überraschten Journalisten den Verhandlungsabbruch bekanntgab, hatte eine der großen englischsprachigen Nachrichtenagenturen eine Eilmeldung mit der Schlagzeile „Verhandlungsdurchbruch“ an ihre Zentrale geschickt.

Wie konnte es zu dieser Fehlwahrnehmung kommen? Die Antwort ist ein Geflecht aus gezielten Falschmeldungen und unrealistischen Hoffnungen, nach 16monatigem Krieg und einjährigen Verhandlungen müsse die Zeit doch endlich reif sein für ein Abkommen. Mittwoch früh hatte Izetbegović den beiden Vermittlern Owen und Stoltenberg eine Landkarte mit drei Forderungen präsentiert: Landzugang zum Adriaort Neum; mehr Territorium in Ostbosnien, darunter die Verbreiterung des Straßenkorridors zwichen den ostbosnischen Enklaven Zepa, Srebrenica und Goražde; und der Einschluß der Region Prijedor im Nordwesten in die künftige bosnisch-muslimische Teilrepublik. Owen und Stoltenberg präsentierten die Karte daraufhin Karadžić und Kroatenchef Boban. Gegen Mittag drang die Information aus der serbischen Delegation, Karadžić habe die Verbreiterung des ostbosnischen Straßenkorridors zugestanden. Das wurde für die Medien sogleich ein erster Schritt hin zu einem Durchbruch.

Ebenso positiv aufgenommen wurde die Äußerung des bosnischen Oppositionsführers Filipović, Präsident Izetbegović habe auf alle Territorialforderungen verzichtet – ein Mißverständnis, wie sich später herausstellte: Izetbegović verhandelte nämlich gar nicht, sondern wartete den ganzen Tag über mit seinen Getreuen in seinem Delegationszimmer auf eine Antwort der Serben und Kroaten auf seinen Kartenvorschlag.

Mittwoch nachmittag um viertel nach fünf betrat Serbiens Präsident Milošević das bosnische Delegationszimmer. Unter vier Augen legte er Izetbegović einen Vertragsentwurf vor. Danach sollte sich Izetbegović beim UNO-Sicherheitsrat für die Aufhebung der Sanktionen gegen Serbien einsetzen. Im Gegenzug sollten die Muslime die Verbreiterung des ostbosnischen Straßenkorridors erhalten sowie das Recht, den Adriahafen Neum zu benutzen – allerdings nicht die Landverbindung.

Das war zwar weit weniger als von Izetbegović verlangt. Doch die defensiv anmutende Art Miloševićs erweckte in der Izetbegović- Delegation den Eindruck, es sei noch mehr drin. Dagegen sperrte sich sodann Karadžić, der sich – so ein Mitglied der Izetbegović-Delegation zur taz – „sehr viel unkooperativer verhielt als Milošević“. Und absolut stur stellte sich Kroatenchef Boban. Vergeblich bemühte sich der Bosnien-Beauftragte von US-Präsident Clinton, Redman, Kroatiens Präsident Tudjman zur Druckausübung auf Boban zu bewegen, damit dieser Izetbegović doch noch den Landzugang zur Adria konzidiere. Das hätte wahrscheinlich ausgereicht, um an diesem Abend noch ein Abkommen unter Dach und Fach zu bringen.

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