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Gegen „Fremdheit“ im eigenen Land

■ Der Theologe Steffen Heitmann, 49, Justizminister in Sachsen, gilt als des Kanzlers Vorzeige-Ossi für das höchste Amt im Staate

Die zu Wochenbeginn von den Christdemokraten aufgewärmte Idee, ihn als Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten zu handeln, quittierte Sachsens Justizminister Steffen Heitmann vorsichtig mit Schweigen. Er werde sich, kommentierte seine Sprecherin, dazu erst äußern, wenn „ein offizieller Vorschlag“ vorliegt.

Schon im Herbst 1992 war der 49jährige Heitmann als möglicher Weizsäcker-Nachfolger genannt worden. Damals zeigte er sich überrascht: „Mit mir hat niemand darüber gesprochen.“ Ministerpräsident Biedenkopf war und ist jedenfalls nicht glücklich über solche hartnäckigen Abwerbungsversuche. Er hätte lieber eine sichere Bank für das neue sächsische Kabinett.

Der Theologe und Kirchenhistoriker Steffen Heitmann hatte sich zu DDR-Zeiten als regimekritischer Mann der evangelisch-lutherischen Kirche Autorität erworben. Die oppositionelle Dresdner „Gruppe der 20“ gewann ihn im Herbst 1989 als juristischen Berater. Heitmann engagierte sich bei der Auflösung der Dresdner Stasi-Zentrale und in einem kleinen Kreis Vertrauter sehr zeitig schon für den Entwurf einer sächsischen Verfassung. Als das oberste Gesetzeswerk des Freistaates schließlich im Mai 1992 beschlossen wurde, trug es noch immer die Handschrift Heitmanns.

Bei seiner Ernennung zum Justizminister war Heitmann der einzige Parteilose im Kabinett Biedenkopf. Erst Ende 1991 trat er der CDU bei. Als erster Ostdeutscher steht er der Justizministerkonferenz vor. Dort tritt er vehement gegen die nach Gesetzeslage im Oktober anstehende Verjährung sogenannter „minderschwerer Straftaten“ der SED-Herrschaft ein.

Den sächsischen Frauen entwarf der Justizminister ungefragt ein Modell ihrer Zukunft. Sie sollten doch bitte schön an Herd und Windeltopf zurückkehren, denn es sei an der Zeit, „Mutterschaft bewußt wieder ins Zentrum der Gesellschaft“ zu stellen.

Rassismus und Neofaschismus vor seiner Haustür mag der einstige Oppositionelle nicht wahrnehmen. Rechtsextremistische Gewalt in Sachsen wertete der Minister als „Reaktion auf die Überforderungssituation“ von „meist jugendlichen Tätern“, die das „zur Stärkung des eigenen Selbstwertgefühls“ brauchen.

Mit schärferen Gesetzen, besonders gegen „gewerbs- und bandenmäßig“ begangenen „Asylmißbrauch“, möchte er den Verirrten gern helfen. Im Frühjahr 1992, angesichts rechtsextremer Wahlerfolge und anhaltender Gewalt gegen Ausländer, haute er wild entschlossen auf den Stammtisch. Er schwätzte von der „Fülle der Ausländer“ in Deutschland und der „Fremdheit“, die einem in Städten mit hohem Ausländeranteil „entgegenschlägt“, wo doch „nur ein bestimmtes Maß an Überfremdung“ erträglich sei. Detlef Krell

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