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Paarlauf für einsame Herzen

■ Die Mitsportzentrale hilft allen, die in der Turnhalle nicht einsam sein möchten / Partneragentur will man nicht sein, doch wenn es funkt, ist es trotzdem recht

Sport ist echt was Tolles. Nach der Arbeit über den Asphalt joggen, Chlorwasser im Schwimmbad schlucken, Squashbälle an die Betonwand knallen. Nur alleine macht es manchem nicht soviel Spaß. Dafür gibt es jetzt Abhilfe: Für läppische 120 Mark im Jahr können Sportwütige so oft wie sie wollen mit Hilfe der „Mitsportzentrale“ in der Yorckstraße 52 eine geeignete PartnerIn für alles Sportliche und auch Unsportliche kennenlernen. Denn auch die, die keine Lust auf schweißgetränkte Socken oder überfüllte Turnhallen haben, sind bei der Mitsportzentrale gut aufgehoben: Schafkopf spielen, Jonglieren oder ins Konzert gehen – bei der „Agentur für Freizeitgestaltung“ ebenfalls im Angebot.

„Wir versuchen, alle möglichen Freizeitwünsche zu vermitteln, von Blechbläsermusik bis Paragliding“, sagt Geschäftsführer Klaus Stricker. So ist das Konzept der Mitsportzentrale, Hobbies zu organisieren und nicht – wie bei einer üblichen Partnervermittlung – zwei einsame Herzen zu verkuppeln. Wenn zum Beispiel Männer anriefen, deren Wunsch es ist, eine blonde, schlanke Sportpartnerin kennenzulernen, werden sie am Telefon nicht weitervermittelt. Klaus Stricker: „Wenn es aber trotzdem mal funkt, ist das nicht unser Bier.“

Die Idee, mit wildfremden Menschen Sport zu treiben, ist erfolgreich: Schon in zehn bundesdeutschen Städten, wie zum Beispiel in Münster oder Freiburg, gibt es unter einer gemeinsamen Geschäftsleitung Mitsportzentralen – in Berlin seit zwei Monaten. Dort sind es bereits zwölf Mitglieder. Einer von ihnen ist Ulrich Schiller. Der Achtundzwanzigjährige arbeitet im Schichtdienst. Für ihn sei es deshalb sehr schwierig, so erzählt der Kreuzberger, seine Freizeit zu gestalten, weil er oft zu den unmöglichsten Zeiten freihabe. Die Vermittlungsstelle ist für ihn nur eine „Abkürzung“ für den langen Weg, Menschen mit den gleichen Interessen kennenzulernen. Ulrich Schiller bezeichnet sich in seiner beruflichen Situation als „Realist“. Seine Devise: „Ich kann nur gezielt vorgehen.“ Leute beispielsweise in Kneipen anzusprechen sei ihm zu langwierig und meist zu uneffektiv. Zwei Frauen hat Ulrich Schiller bereits über die Mitsportzentrale kennengelernt. Mit der einen ist er Essen gegangen, mit der anderen war er im Varieté – er zieht die Kultur dem Sport vor. Auch mit Männern habe er versucht, in Kontakt zu treten, aber bei den gleichgeschlechtlichen Mitsportlern sei die Hemmschwelle, sich zu verabreden, „zu groß“, sagt Ulrich Schiller.

Daß gerade Berufstätige oft nur einen sehr kleinen Freundeskreis haben und deshalb auf Hilfestellungen wie die Hobbyzentrale zurückgreifen, ist für Klaus Stricker nicht verwunderlich. Der Geschäftsführer, der ursprünglich eine Vermittlungsstelle für kleinere Handwerksarbeiten gründen wollte, mit seiner Idee aber bei den Behörden scheiterte, sieht sich sogar als Sozialarbeiter: „Wir müssen die Leute an die Hand nehmen, damit sie aus ihren vier Wänden rauskommen.“ Der 32jährige sieht seinen Job durchaus kritisch: Er glaubt, daß das „Abstumpfen und die Übersättigung der Konsumgesellschaft“ es möglich gemacht habe, daß es Vermittlungszentralen wie die Mitsportzentrale überhaupt geben muß. Wenn die potentiellen Mitsportler aber dann vom Fernseher weggelockt werden, seien sie bereit, viel Geld für ihre Hobbies zu bezahlen, erzählt Klaus Stricker. Nur: Die Aktivitäten sollten möglichst, wie beim Pauschal-Urlaub nach Mallorca, bis ins kleinste durchorganisiert sein.

Ulrich Schiller ist von der Mitsportzentrale in der Yorckstraße total begeistert. Seine Probleme haben sich, so sagt er, gelöst: „Jetzt ist alles ganz einfach, ich brauche nur zum Hörer zu greifen und finde immer jemanden, der mit mir ausgeht.“ Julia Naumann

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