: Migration in die Prostitution
■ Ein Gespräch mit Rosina Henning von der Frankfurter Prostituierten-Selbsthilfegruppe über ausländische Huren und deren rechtlose Stellung in der Bundesrepublik
taz: Machen die ausländischen Prostituierten den deutschen Huren die Preise kaputt?
Henning: Nein. Nehmen Sie das Frankfurter Bahnhofsviertel als Beispiel. In den Puffs arbeiten überwiegend Südamerikanerinnen, Asiatinnen und Afrikanerinnen. Die Amtssprache im Milieu ist praktisch Spanisch. Die Ausländerinnen können die Preise nicht kaputt machen, im Gegenteil, sie bestimmen sie sozusagen als „Marktführer“. Wie in der freien Marktwirtschaft zählt ausschließlich Nachfrage und Angebot. Und die Ausländerinnen arbeiten sicher nicht zu Schleuderpreisen, weil ihr Geld zum großen Teil auch ihre Familien in der weit entfernten Heimat miternährt.
Werden sie nicht von Leuten eingeschleust, die ein Interesse daran haben, daß sie sich billig anbieten?
Ich finde es problematisch, ausländische Prostituierte in einem Atemzug mit Menschenhandel zu nennen. Denn die meisten ausländischen Frauen, die als Prostituierte hier arbeiten wollen, kommen freiwillig. Jeder weiß, es gibt einen Markt von ausländischen Prostituierten. Dieser Markt hat eine Migration in die Prostitution geschaffen.
Der Beruf der Prostituierten ist nicht anerkannt, die ausländischen Prostituierten leben hier also in der Illegalität. Wer schützt sie?
Niemand. Denn diese Frauen werden vom Gesetz zur Illegalität gezwungen. Eine Aufenthalts- oder gar Arbeitserlaubnis für Prostitution gibt es, wie Sie richtig sagten, nicht. Wenn sie dann hier illegal arbeiten, haben sie keine Möglichkeiten sich gegen kriminelle Übergriffe zu wehren. Das ist das wirkliche Problem. Es fehlt der rechtliche Schutz für diese Frauen. Sie wollen regelmäßig für ein halbes oder ganzes Jahr hier arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und dann zurückfahren oder in ein anderes Land gehen.
Wie verhält sich die Polizei?
Sie geht massiv gegen diese Frauen vor. Die Polizei und die Kripo sehen die Frauen immer nur aus der kriminologischen Sichtweise. Für sie sind die Frauen Täter. Die haben gegen das Ausländerrecht verstoßen und danach werden sie auch behandelt. Das heißt, man klagt sie nicht wegen Prostitution an, sondern sie werden ausgewiesen – und da kommt wieder diese Doppelmoral zum Vorschein –, weil sie keine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung haben, die sie von Anfang an auch nicht bekommen können ...
... weil Prostitution eben kein anerkannter Beruf ist.
Genau, und ausschließlich aus diesem Grund kommt es vor, daß sie von irgendwelchen Leuten ausgebeutet werden.
Was sind für Sie die sogenannten Menschenhändler?
Ich erlebe es von den Frauen in Frankfurt immer so, daß Frauen auch gegen ihren Willen nach Deutschland gebracht werden. Aber wie es in den Medien oft dargestellt wird – daß der größte Teil der ausländischen Prostituierten über Menschenhändler durch Schläge und Prügel „vermittelt“ werde – stimmt einfach nicht. Es ist mehr Mythos dabei als alles andere. Wenn Sie über Ehen schreiben wollen, werten Sie ja auch nicht nur das, was ihnen in Frauenhäusern an Schlimmem erzählt wird, oder? Wenn Sie hier zur Polizei gehen, dann ist es klar, was Sie hier zu hören kriegen. Sie thematisieren natürlich nur die Extremfälle von Frauenhandel.
Es hört sich jetzt kraß an, aber für mich sind die meisten „Menschenhändler“ harmlos und wichtig zugleich, weil sie sowieso erstmal am Geld interessiert sind. Die Frauen selbst sehen eine Möglichkeit, über sie eine möglichst langfristige Existenzgrundlage aufzubauen. Das heißt, frau sucht sich auf Kredit Leute im eigenen Land, die Verbindungen haben, Papiere ausstellen können in dem Land, in dem man arbeiten will, um eben den Lebensunterhalt zu bestreiten. Ich bin gegen Auswüchse von Menschenhandel, ja, aber nicht prinzipiell.
Wo ist da bei Ihnen die Grenze?
Ich denke, es fängt da an, wo massive Gewalt angewendet wird, wo Bedrohung stattfindet. Ich bin gegen Menschenhändler, die die Menschen regelrecht in Kartons verscharren, wo es wirklich ans Leben geht.
An sie kommt man aber erst dann heran, wenn den ausländischen Prostituierten endlich Rechte gewährt werden. Wenn sie Angst haben müssen, daß sie ausgewiesen werden, werden sie gegen diese Leute nicht aussagen. Die Prostituierten gehen einer „normalen“ Arbeit nach. Sie sind nicht die Kriminellen. Interview: Franco Foraci
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen