: Unter sich im Rotlichtmilieu
Der Anteil der von Ausländern betriebenen Nachtclubs in der Bundesrepublik nimmt zu. Fast ausschließlich arbeiten dort ausländische Prostituierte für Ausländer ■ Gülay Kizilocak
Innerhalb des Rotlichtmilieus in der Bundesrepublik wächst die Zahl der ausländischen Erwerbstätigen. In den Ballungszentren, vor allem im Ruhrgebiet, einem Gebiet mit einer besonders starken Konzentration der ausländischen Wohnbevölkerung, kann man feststellen, daß zahlreiche Nachtclubbesitzer Türken oder Jugoslawen sind. Offensichtlich ist dies eine neue Phase der Migrationsgeschichte in der Bundesrepublik. Andererseits zeigt diese Entwicklung auch, daß die ausländische Bevölkerung in Deutschland trotz der von Tag zu Tag wachsenden Ausländerfeindlichkeit die Bundesrepublik als ihre zukünftige Heimat sieht.
Ein besonderes Kennzeichen ausländischer Nachtclubs ist, daß in diesen Clubs alle Personen – vom Inhaber bis zu den Angestellten sowie Kunden und Freier – Ausländer sind. Warum werden in diesen Clubs ausländische Prostituierte häufig aus dem Heimatland beschäftigt? Zum einen handelt es sich dabei um billige Arbeitskräfte, hinzu kommt, daß vor allem bei den Männern der ersten Generation, die immer noch ohne ihre Familien hier leben, nach wie vor große Sprachdefizite vorhanden sind. Diese Defizite können zu Hemmungen vor deutschen Prostituierten führen. Viele ausländische Männer bevorzugen daher den Besuch der von Landsleuten geleiteten Clubs, weil sie hier auf Prostituierte treffen, die manchmal ihre Sprache verstehen oder Ausländerinnen wie sie sind.
Ein weiterer Grund, der gerade bei der älteren, muslimisch geprägten Generation vom Besuch einer deutschen Prostituierten abhält, ist die Religion. Obwohl der Islam die Prostitution überhaupt nicht erlaubt, ist es ein noch größeres Hindernis, mit einer christlichen Frau Geschlechtsverkehr zu haben.
Bei den Prostituierten, die in diesen Nachtclubs arbeiten, lassen sich drei Gruppen unterscheiden: Die erste Gruppe besteht aus solchen Frauen, die speziell für diese Tätigkeit aus dem Heimatland geholt wurden, zum Beispiel hauptsächlich Türkinnen, die hier mit einer vorübergehenden Aufenthaltserlaubnis arbeiten oder illegal beschäftigt sind.
Die zweite Gruppe bilden Vertreterinnen der zweiten Generation. Die dritte Gruppe besteht aus Frauen, die aus osteuropäischen Staaten in die BRD kommen. Sie sind billige Arbeitskräfte, haben nicht selten keine Aufenthaltsgenehmigung, arbeiten oft illegal. Für den Umgang mit den Kunden reicht in der Regel das Erlernen weniger Grundbegriffe der jeweiligen Muttersprache aus.
In der Vergangenheit ist deutlich geworden, daß auch viele junge Ausländerinnen der zweiten Generation, die hier wenig Zukunftsperspektiven haben, durch die Zuhälter für diese Art von Tätigkeit gewonnen werden. Viele junge Mädchen, die, um ihre jugendlichen Träume zu verwirklichen oder weil die Eltern sehr streng und traditionsgebunden mit ihren Töchtern umgehen, von zu Hause weglaufen, landen in den Händen von Zuhältern.
„Namus“, die Ehre dieser Familie und besonders der Frau, spielt bei den muslimischen Familien eine große Rolle, so daß viele Mädchen sich nicht trauen, wieder zu ihrer Familie zurückzukehren, da sie die Ehre der Familie verletzt haben. So sind viele junge Mädchen, die diesen Schritt bereut haben, manchmal gezwungen, weiter in solchen Lokalen zu arbeiten.
Auf einen anderen wichtigen und gefährlichen Punkt wurde bereits vor einiger Zeit in einer vom Zentrum für Türkeistudien durchgeführten Untersuchung über „Präventions- und Aufklärungsmethodik zum Thema Aids bei ausländischen Mitbürgern aus dem islamischen Kulturkreis“ hingewiesen. In dieser Untersuchung wurde festgestellt, daß in solchen Lokalen der Geschlechtsverkehr häufig ungeschützt (ohne Kondome) erfolgt. Als Motiv dafür wurden hauptsächlich Lustminderung und fehlende Vertrautheit im Umgang mit Kondomen genannt. Diese Unbedarftheit stellt eine große Gefahr dar, da sich Aids auf diese Art sehr schnell unter den Ausländern verbreiten kann. Deshalb sollte die Aids-Aufklärung bei Ausländern vor allem auch vor Ort zielgruppengerecht (Streetworker) durchgeführt werden.
In Zukunft werden immer wieder Ausländer versuchen, sich im Rotlichtmilieu eine Existenz aufzubauen. Wirtschaftliche Notlagen, Unwissenheit, mangelnde soziale Bindungen oder Drogenkonsum können Gründe für diesen Schritt sein.Der Trend jedenfgalls nimmt zu.
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