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Parforcejagd der Peinlichkeit

■ Berlins Olympiabewerber verpassen kein Fettnäpfchen

Ganz egal, wie Berlin bei der Vergabe der Olympischen Spiele des Jahres 2000 abschneidet, einen Superlativ hat die Stadt bereits jetzt sicher: die peinlichste Bewerbung aller Zeiten. Jeder klandestine Winkelzug, mit dem die Berliner die Statuten des IOC unterlaufen und auf abgefeimte Art die Gunst der Delegierten gewinnen wollten, kam ans Licht der Öffentlichkeit. Als die IOC-Exekutive 1991 in Berlin tagte, fanden die umworbenen Gäste in den Hotelzimmern unter anderem ihre Lieblingsschokolade vor. Woher die wertvollen Informationen über die Schleckermäuler stammten, wurde wenig später bekannt: aus einem mit geheimdienstlichen Mitteln erstellten Dossier, daß nur sieben Olympier für unbestechlich erklärte. Alle Bewerber legten solche Dossiers über die Vorlieben der 94 umworbenen IOC-Mitglieder an, dumm genug, sich erwischen zu lassen, war nur Berlin.

Schnell erwarben die Spreestädter zudem den Ruf, sich die Spiele erprotzen zu wollen. Eine sündhaft teure Ausstellung im Miró-Museum von Barcelona, die den Regeln des IOC widersprach, wurde erst abgesagt, als auch der letzte den Versuch, die Kontrahenten mit geballter Finanzkraft aus dem Feld zu schlagen, mitbekommen hatte. Die 29 Millionen Mark, die der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen dem Entwicklungshilfefonds des IOC versprach, wurden eher als plumper Bestechungsversuch denn als edle Geste gewertet. Darüber hinaus scheute man keine Kosten, um den IOC-Mitgliedern mit einer penetranten Hase-und-Igel-Strategie allenthalben aufzulauern. Ob bei der Jesse-Owens-Gala im New Yorker Waldorf Astoria, wo für 6.000 Dollar ein Tisch erworben wurde, bei der IOC-Vollversammlung in Acapulco oder der Tagung der panamerikanischen NOKs in Mar del Plata, der grinsende Olympiabär war schon da. Gar 750.000 Mark bekamen die Stuttgarter Organisatoren der Leichtathletik-WM für ihre willfährige Olympiapropaganda, die der Bewerberstadt selbst untersagt war.

Um den lästigen Schatten der Nazi-Olympiade von 1936 loszuwerden, wurden gnadenlos die Witwe von Jesse Owens und ehemalige KZ-Insassen vereinnahmt, die gedämpfte Stimmung der Berliner Bevölkerung wird von Diepgen ohne Scham in grenzenlose Begeisterung umgedeutet, die Stadt ertrinkt in gelben Bären, Polizeiwagen tragen Olympiawerbung, was einige Insassen heftig erbost, Lehrer werden für Propagandatätigkeit freigestellt, das Problem des Rassismus in Deutschland wird nicht einmal verharmlost, sondern einfach hinweggeredet – die Olympiabewerbung nimmt immer groteskere Züge an.

Die Olympia-Opposition präsentiert Diepgen gern als kleines, verlorenes Häuflein, kann aber dem IOC wenig plausibel machen, warum es dann nötig ist, ein Sonderdezernat der Polizei zu bilden, mit geballter Staatsmacht NOlympia-Transparente zu beschlagnahmen, die Prüfungskommission des IOC schärfer als die Bank von England bewachen zu lassen und Juan Antonio Samaranch so heimlich in die Stadt zu schleusen, als handle es sich um eine Mischung aus Saddam Hussein, Oberst Gaddafi und General Aidid.

Verwundern kann diese Parforcejagd der Peinlichkeit indes kaum, schließlich tun die Berliner nichts anderes als das, wofür sie in der ganzen Welt berüchtigt sind: Sie tragen zu dick auf, und sie können die Klappe nicht halten. Matti Lieske

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