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Nachschlag

■ Savarys „Herr im Haus“ im Theater am Kurfürstendamm

Welches Stück hätte das Theater am Kurfürstendamm besser eröffnen können als Goldonis „Herr im Haus bin ich“? Welchen Regisseur hätte Wieder-Intendant Jürgen Wölffer verpflichten können, um den seichten Tingeltangel „Marlene“ vergessen zu machen, wenn nicht Jérôme Savary? Eine sichere Bank, mag Jürgen Wölffer gedacht haben, als er Jérôme Savary bat, in Berlin ein Gastspiel zu geben. Eine Bank allerdings, die, wie sich am Premierenabend am Freitag herausstellte, nicht mehr so ganz auf der Höhe der Zeit arbeitet.

Mit 150 Theaterstücken soll Carlo Goldoni seine Epoche bereichert haben, Zeitkritik in allen Varianten, Volkstheater mit literarischen Qualitäten hat er den Venezianern des 18. Jahrhunderts beschert, hat die moralische Verlogenheit in spritzigen Komödien entlarvt und aus dem Chargentheater der Straße eine hintergründige Typenkomödie gemacht. Nur ein Bruchteil von Goldonis Wirken ist uns noch im Gedächtnis. Die Zeiten ändern sich – selbst wenn die Verlogenheit der Bourgeoisie immer noch gen Himmel stinkt. Auch der „Herr im Haus“ hat sich inzwischen ein wenig überlebt, aber vielleicht hätte man ihn sogar ins 20. Jahrhundert beamen können.

Jérôme Savary allerdings schaffte diesen Zeitensprung nicht. Denn auch seine Ästhetik ist inzwischen keine noch so kleine Theaterrevolte mehr wert. In Zeiten, wo jede TV-Show den Kunstschnee vom Himmel rieseln läßt, wo der Graben zwischen Revue und Trauerspiel immer kleiner wird, lassen sich kaum noch die Bilder in den Bühnenhimmel zaubern, ohne daß das Publikum müde abwinkt. Mit vielen Special Effects hat Savary die Technik der alten Reinhardt-Bühne am Kurfürstendamm ausgereizt; da spritzt das Wasser aus dem Boden, rieselt der Flitter von der Decke, weht der künstliche Nebel aus der Seitenbühne (Bühne: Ezio Toffolutti). Das alles illustriert die mit viel Liebe zum Clownesken erzählte Geschichte eines moralinsauren Despoten, der Frau und Kind von der vergnügten venezianischen Gesellschaft abschotten will: „Der Herr im Haus bin ich“ brüllt er ein ums andere Mal, verbarrikadiert das Haus und stampft kräftig auf den hauseigenen Boden. Aber natürlich sind es die Frauen, die in Wahrheit die Hosen anhaben. Sie verhindern die geplante blind date-Hochzeit zwischen Tochter Lucietta und dem eigenmächtig vom Vater auserwählten Bräutigam Filippetto. Wenigstens einmal sollen die beiden sich vorab in die Augen schauen dürfen, befindet Stiefmutter Margarita – die Intrige nimmt mit Holter und Dipolter ihren Lauf. Aber so sehr sich das große Personal auf der Bühne auch verausgabt, der Gang der Handlung bleibt doch schleppend. Nur einmal ist der Trubel auf der Bühne wirklich reizend ausgereizt: Als der Bräutigam schon im obligatorischen Schrank sitzt und Vater Lunardo samt spießigem Männeranhang das Damenzimmer stürmt, um die Fäden eines verpatzten Verlobungsfestes wieder in den Griff zu bekommen... Da stürzt endlich einmal alles auf alles ein: Komödie vom Feinsten, schnell, witzig und schön anzusehen. Aber schon ist der Trubel wieder vorbei, noch etliche Minuten plätschert der Goldoni dahin, bevor dann endlich besiegelt ist: Brautleute haben ein Recht auf den ersten Blick, Männer sind doppelbödige Scheinmoralisten und Frauen die besseren Diplomaten – im 18. Jahrhundert. Klaudia Brunst

„Herr im Haus“: täglich um 20 Uhr im Theater am Kurfürstendamm.

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