: Viele wollen Grünen Punkt verheizen
DSD spricht sich erstmals für Verbrennung als „stoffliche Verwertung“ aus / Rückendeckung von Saarlands Umweltminister Jo Leinen / Müller Milch will in Karlsruhe klagen ■ Von Annette Jensen
Berlin (taz) – Nach der Rettung des Grüne-Punkt-Kartells am Freitag versuchte Geschäftsführer Wolfram Brück sogleich, Aktivität zu demonstrieren: Gegen 100 „Trittbrettfahrer“, die das Symbol auf ihre Verpackungen drucken, ohne dafür zu zahlen, wird jetzt von Mitarbeitern des Dualen System Deutschland (DSD) ermittelt. Allerdings mußte Brück gleich einräumen, daß es sich dabei nur um kleine Fische handele.
Entscheidender ist, daß sich der Grüne-Punkt-Mann plötzlich auch für die Möglichkeit einsetzt, den als „Wertstoff“ bezeichneten Müll zu verbrennen. Dagegen hatte sich das DSD bisher stets ausgesprochen –, denn die Verpackungsverordnung sagt klipp und klar, daß Verbrennen nicht als „stoffliche Verwertung“ durchgehen kann. Weil die DSD-Leute offenbar keine Chance sahen, dagegen vorzugehen, ließen sie den TÜV vor kurzem eine Studie erstellen, die die positive Energiebilanz von Plastikrecycling beweisen sollte.
Jetzt aber sieht Brück offenbar die Chance, sich der aufgestauten Plastikmassen doch mittels Müllverbrennungsanlagen zu entledigen. Denn inzwischen ist auch ihm klar: Plastikrecycling ist eine Tonne ohne Boden. Fürs Sammeln, Sortieren und Verwerten von 1.000 Kilogramm Plastikmüll in einer Hydrieranlage müssen gut und gerne 3.000 Mark veranschlagt werden – und das bei Preisen für Neumaterial um die 1.000 Mark. Nur mit extrem hohen Subventionen ist das System also aufrecht zu erhalten. Niedersachsens Umweltministerin Monika Griefahn (SPD) bezeichnete den Grünen Punkt am Wochenende deshalb auch als „Lizenzzeichen für die Mästung der Entsorgungswirtschaft“.
Rückendeckung bekommt Brück beispielsweise vom saarländischen Umweltminster Jo Leinen (SPD), der dafür plädiert, nicht weiter zu versuchen, stofflich nicht Verwertbares zu recyceln. Auch er will, daß der Plastikmüll im Ofen landet. Eine derartige Veränderung der Verpackungsverordnung aber werden die als Entsorger auftretenden Energieriesen VEBA und RWE mit allen Mitteln zu verhindern suchen –, denn sie entwickeln gerade teure, unsinnige Anlagen, in denen Plastik mit viel Aufwand zu Öl und Gas verwandelt werden kann. Und diese wahren Goldgruben wollen sie sich auf keinen Fall verschließen lassen. Da sie jetzt auch im Aufsichtsrat des DSD Platz nehmen, werden sie Wolfram Brück gewiß bald bremsen.
Vielleicht aber machen ihnen die Richter in Karlsruhe einen Strich durch die Rechnung. Die wegen ihrer Dreistigkeit allseits bekannte Molkerei Alois Müller hat angekündigt, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Die Richter mit den roten Roben sollen prüfen, ob Verbrennung von DSD-Müll nicht doch als „thermische Verwertung“ anerkannt werden muß. Ausgerechnet Müller Milch, das schon zahlreiche Verfahren wegen Wasserverschmutzung und -diebstahl am Hals hatte, bemüht dafür nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische Argumente.
Schon vor einigen Jahren hatte die Molkerei geschickt die Pfandverordnung für PET-Plastikflaschen umgangen, indem sie einfach zehn Prozent Süßmolke in ihre Produkte beimengte und so „ein Lebensmittel eigener Art“ erzeugte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen