: Flex-Bande ohne Flex hinter Gitter
■ Banden-Mitglieder verurteilt: „erhebliche kriminelle Energie“ und Nerven aus Stahl
“Behalten sie bitte ihre Unmutsäußerungen für sich“, sagte Richterin Hilka Robrecht entnervt. Salih hatte wieder mal mißmutig mit der Hand abgewunken als Murat ihn zum Boss der Bande abstempelte. Bald werden sie Zeit genug haben, ihren Streit auszutragen: vier Jahre wandern die Panzerknacker für 26 Einbruchsdiebstähle mit insgesamt 300.000 Mark Beute hinter Gitter.
Die Einbrüche liefen immer gleich ab. Ein geeignetes Objekt — wie zum Beispiel Schuhhaus Reno oder Kafu-Märkte - wurde von den Einsteigern ausgeguckt. Ein Fahrer brachte die 2-3 Einbrecher vor Ort, dann hebelten die Jungs ein Fenster oder eine Tür auf, um in das Gebäude hineinzugelangen. Notfalls entsicherten sie Alarmanlagen oder zerstörten Telefonschaltanlagen. Dann machten sie sich auf die Suche nach dem Tresor und legten die Flex an. Es kam mitunter vor, daß sie nicht das geeignete Einbruchswerkzeug dabei hatten. Beim Einbruch im Baumarkt schien das keine Probleme zu machen, da bedienten sie sich aus den Regalen. Doch anderorts fuhren die Einbrecher wieder weg, um nochmal Brechstangen und Vorschlaghammer einzupacken. Dann machten sie im gleichen Gebäude einen zweiten oder gar dritten Anlauf. Das listete Staatsanwältin Ingrid Eissig- Nickol alles haargenau in ihrem eineinhalbstündigen Plädoyer auf und bescheinigte der Bande „erhebliche kriminelle Energie“.
Am ersten Verfahrenstag saßen noch alle sieben Bandenmitglieder auf der Anklagebank. Drei von ihnen wurden nach dem normalen Strafgerichtsgesetz behandelt. Vier fielen unter das Jugendgerichtsgesetz (JGG). Kubilay konnte fast sofort nach Hause gehen. Er war nur mal als Fahrer eingesprungen. Zur Abschreckung muß er dennoch insgesamt 2.400 Mark an das Referat „Integrationshilfe“ eines Turnvereins zahlen. Auch Michael kam mit einem blauen Auge davon. Seine Jugendstrafe wurde auf Bewährung ausgesetzt. Seine Mittäterschaft war „episodenhafter Art“, wie der Betreuer der Jugendgerichtshilfe erläuterte, da sie im Zusammenhang mit seiner damaligen Drogenabhängigkeit zu sehen sei.
Fast alle Verfahrenstage verbrachte das Gericht damit, herauszukriegen, wer den Wagen fuhr, wer den Tresor knackte, und wer wieviel Geld vom Einbruch bekam. Die zwei jüngeren Männer, die nach JGG verurteilt wurden, müssen sich drei Jahre bewähren, und einen „Übungs- und Erfahrungskurs“ machen. Orhan, einer der erwachsenen Bandenmitglieder, agierte dagegen nur als Fahrer. Vor Gericht mußte er versichern, eine feste Wohnung zu nehmen und 2.000 Mark an Terre des Hommes zahlen.
Orhan gestand als einziger: „Ich hatte Angst“. Die anderen Jungs hatten offenbar Nerven wie Drahtseile. Ihr stählernes Beiwerk sehen sie jedoch nicht wieder: „Die Angeklagten erklärten, wir verzichten auf die Herausgabe der sichergestellten Werkzeuge“, schrieb die Protokollantin nieder.
vivA
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