: Suche nach einem neuen Atomklosett
14 Jahre nach dem Gorleben-Hearing forscht Niedersachsen auf einem internationalen Kongreß nach alternativer Atomentsorgung / Töpfer verbietet seinen Beamten Teilnahme ■ Von Hermann-Josef Tenhagen
Berlin (taz) – Ohne Weizsäckers geht es nicht: 14 Jahre nach dem berühmten Gorleben- Hearing in Hannover wird in Niedersachsen erneut wissenschaftlich um Kriterien für die bestmögliche deutsche Atommüllpolitik gestritten. Die Moderation übernimmt diesmal Ernst-Ulrich von Weizsäcker; 1979 war sein Vater Carl- Friedrich als Moderator in Hannover aktiv.
Der Moderator kommt aus der Familie, das Thema Atommüll ist das gleiche, der Hauptunterschied zu damals aber liegt im Ziel: Damals ging es um die Eignung von Gorleben als Standort für eine Wiederaufarbeitungsanlage und ein Atommüllendlager – heute geht es um eine Alternative zum Endlager Gorleben. Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) legte sich bei der Vorstellung des Hearing-Programms in Bonn gestern fest: „Nach unserer Auffassung geht Gorleben nicht.“ Hochradioaktiver, wärmeentwickelnder Atommüll könne im Gorlebener Salzstock nicht für mehrere zehntausend Jahre sicher gelagert werden. Der Standort sei in den siebziger Jahren nach rein politischen Kriterien ausgesucht worden: Er lag an der Grenze zur DDR, von der keine Proteste zu befürchten waren.
Geklärt werden soll auf dem Hearing in Braunschweig (21. bis 23.9.) vor allem, ob ein Endlager für hochradioaktiven Müll in Deutschland geologisch möglich ist, welche Bedingungen ein solches Endlager erfüllen müßte und wie man technisch nachhelfen kann, den Atommüll für mehrere 10.000 Jahre sicher von der Außenwelt abzuschotten. Schröder formulierte gestern gleich noch eine politische Bedingung: „Wir müssen die Art und Menge der Abfälle kennen und begrenzen... Wer unbegrenzt weiter Atommüll produziert, kann nicht zuverlässig planen.“ Mit anderen Worten: Der Festlegung eines Endlagers muß der absehbare Ausstieg aus der Atomkraft vorangehen.
Das fordern AKW-Gegner seit 20 Jahren. Zum ersten Hearing 1979 hatte der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) im März 1979 62 Wissenschaftler aus aller Welt eingeladen. Es entstand ein achtbändiger Hearing-Report, in dem viele der heute noch strittigen Fragen behandelt wurden.
Die Welt ist nicht stehengeblieben, und die Bundesrepublik steht nicht allein mit ihren Atommüllproblemen. Die USA scheiterten schon Ende der sechziger Jahre das erste Mal mit der Wahl eines Standortes für ein Atommüllendlager. Politiker, die sich nicht vehement gegen ein Endlager einsetzen, werden von ihren Wahlkreisen oder Bundesstaaten seither mit schöner Regelmäßigkeit abgewählt. Ende 1987 verabschiedete der US-Senat dann endlich ein Gesetz, daß eine Tuffsteinformation in der bevölkerungsarmen Wüste Nevada zum Favoriten für das US- Atommüllendlager macht. Eine Salzformation in Texas wurde als Standort gestrichen, weil die lokale Bevölkerung drohte, das Endlager notfalls mit Waffengewalt zu verhindern und auch, weil Berichte über einen tödlichen Unfall und geologische Probleme in Gorleben auf die texanischen Politiker Eindruck gemacht hatten.
Bei der Bundesregierung haben die Probleme des Salzstocks Gorleben bislang diesen Eindruck nicht machen können. Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) hält nach wie vor an Gorleben als einzigen Standort fest, der auf seine Eignung als Endlager für hochradioaktiven Müll geprüft wird. Töpfer sieht derzeit nicht einmal Grund, sich an den Diskussionen beim Endlagerhearing in Braunschweig zu beteiligen. Er wies eine Einladung seiner niedersächsischen Amtskollegin Griefahn brüsk zurück und verbot seinen Beamten, an dem Hearing teilzunehmen. „Wenn jemand aus wissenschaftlichem Interesse Sonderurlaub nimmt, ist das natürlich seine Sache“, so Ministeriumssprecher Cay Friemuth.
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