: Rechtsradikale Parolen in Hamburger Betrieben
■ In Hamburgs Unternehmen kursieren immer mehr anonyme Hetzschriften / Unternehmen fürchten Imageverlust / DAG fordert inhaltliche Auseinandersetzung
Sie kommen ganz harmlos daher. Unscheinbare Schreibmaschinenschrift auf weißem oder grauem Kopierpapier, kein Absender, kein Unterzeichner, einfach nur so: „Herr Asylbetrüger, na, wie geht's? Oh, ganz gut, bring deutschen Aids.“ Ausländerfeindliche Flugblätter mit dumpfen Parolen, x-fach verteilt in Hamburger Betrieben, leisten in diesen Tagen anonyme Wahlhilfe für die entsprechenden Parteien.
Ob Großbank, Medien-Unternehmen oder Chemiekonzern – anonyme rechtextremistische Texte kursieren in Betrieben der unterschiedlichsten Branchen. „Mit der Hauspost kommt der Haß,“ beklagt die Deutsche Angestellten Gewerkschaft, „ohne direkt als rechtsradikale Propaganda von organisierten Gruppen aufzutreten, schüren die Texte auf subtile Art und Weise den Haß gegen Ausländer und Asylsuchende.“ In 80 Prozent der Hamburger Unternehmen, so schätzt Giovanni Sciurba, ausländerpolitischer Sprecher der DAG, werden die Texte inzwischen unterm Tisch oder auch gleich am schwarzen Brett gehandelt.
Waren die Gewerkschafter nach einzelnen Berichten betroffener Betriebsräte und MitarbeiterInnen zunächst davon ausgegangen, daß es sich bei der Verteilung anonymer Nazi-Propaganda um Einzelfälle handelt, wurden sie bei einer Umfrage in verschiedenen Großbetrieben eines schlechteren belehrt. „In fast jeder Hamburger Bank, in fast allen Großbetrieben,“ so Sciurba, seien die Pamphlete aufgetaucht. Besonders auffällig sei dabei, „daß die Weiterverbreitung dieser Texte keine Schwierigkeiten macht, während diejenigen, die sich von diesen Texten belästigt fühlen, in der Regel große Angst haben, dies in die betriebliche Öffentlichkeit zu tragen oder sich an Betriebsräte oder Unternehmensleitungen zu wenden.“
In der Tat. Eine kleine taz-Stichprobe bei Hamburger Unternehmen ergab, daß der rechte Flurfunk in den Vorstandsetagen und Pressestellen noch nicht angekommen ist: „Gibt's nicht, kommt nicht vor“; „überhaupt nichts bekannt“; „halte ich für sehr unwahrscheinlich“, lauten die Antworten bei Banken, privaten und öffentlichen Betrieben fast unisono. Nur bei der Shell-AG müht sich Pressesprecher Rainer Winzenried um eine etwas ausführlichere Auskunft.
Der Mineralöl-Konzern geht auch kleinsten Hinweisen auf rechtsextremistische Parolen nach, schickt schon mal Inspektoren zu Tankstellen, an denen angeblich rechtsextremistisches Liedgut abgespielt wurde und versucht in betriebsinternen Publikationen ausländerfeindlichen Tendenzen entgegenzuwirken. In anderen Betrieben dominiert das: „Nö, bei uns gibt es so etwas nicht.“
Für DAG-Sprecher Sciurba nicht nur ein Zeichen von Unwissenheit, sondern auch von Unbehagen über den betriebsinternen Rechtsextremismus: „Die Unternehmen wollen nicht, daß das in die Presse kommt, weil sie einen großen Imageverlust befürchten.“
Muß aber gar nicht sein, meint Sciurba und fordert eine offensive Auseinandersetzung mit jenen Mitarbeitern, die die rechten Parolen verbreiten. Man dürfe ihnen nicht mit Entlassungen drohen oder selbst nur mit (integrativen) Parolen antworten. Statt dessen müßten die Themen Verlustangst, Furcht vor Konkurrenz und sozialem Abstieg in den Betrieben diskutiert werden. Uli Exner
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