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Griefahn provoziert Koalitionsstreit

■ Altlastenskandal: Umweltministerin hilft Bundesfirma, sich aus Verantwortung für Sanierung freizukaufen

Der rot-grünen Koalition in Hannover steht Ärger ins Haus. Am morgigen Donnerstag will die Fraktion der Grünen im Landtag in einer dringlichen Anfrage von Umweltministerin Monika Griefahn wissen, warum sie hinter dem Rücken der Grünen in Sachen Altlasten mit der Industrie Verwaltungs Gesellschaft (IVG) verhandelt. In diesen Verhandlungen will sich die mehrheitlich im Bundesbesitz befindliche IVG aus der Verantwortung für die Altlastensanierung herauskaufen.

„Das ist ein ungeheurer Skandal wenn das stimmt,“ sagt die Fraktionschefin der Niedersachsen-Grünen, Thea Dückert. „Wir wußten nichts davon. Hier wird für ein Taschengeld eine Koalitionsabsprache gebrochen. Die Rüstungsaltlasten müssen von den Verantwortlichen beseitigt werden.“

Hinter solchen heimlichen Verhandlungen zwischen der Bundesfirma und einzelnen Ländern steckt Methode. Im Herbst nämlich will Finanzminister Waigel 300 Mio Mark für die Bundesanteile der IVG an der Börse für seine leere Bundeskasse erzielen. Doch in Wirklichkeit könnte die Firma noch nicht einmal die sprichwörtliche eine Mark wert sein. Denn viele ihrer Liegenschaften in der ganzen Republik sind hochgradig mit TNT und Arsen verseucht, das Grundwasser ist gefährdet. Die Kosten für eine Sanierung sind nicht abschätzbar, allein für Niedersachsen rechnet Altlasten-Experte Bernd Becker von der Bundeswehrhochschule München mit mehreren 100 Mio Mark.

Die IVG ist die Nachfolgerin der Montanunion Hitlers, auf den Grundstücken wurde damals Munition und Sprengstoff für den Krieg produziert. Große Nazivermögen gehören heute der IVG. Für die verseuchten Böden und das kontaminierte Wasser auf ihrem Gelände jedoch will sie nicht aufkommen. Die IVG weiß aber, daß die ungeklärte Altlastenfrage jetzt die Privatkäufer abschreckt. Daher versucht sie seit einiger Zeit, die Verantwortung für die Sanierung auf die Bundesländer abzuwälzen.

1990 handelte sie mit der damaligen CDU-Landesregierung in Hessen einen Vergleich für in Hessen liegende Grundstücke aus. Mit 25 Mio Mark wurden, so der Vertrag, „sämtliche Ansprüche des Landes für die Vergangenheit und Zukunft abgegolten.“ Allein für die Bodenanalysen und die tägliche Aufbereitung des Wassers an nur einem einzigen Standort hat der hessische Steuerzahler bis heute 44 Mio Mark bezahlt. Saniert wurde dabei in Hessen noch nicht ein einziger Quadratmeter Boden.

Damals war Monika Griefahn empört. „Man muß sich erstmal an die Verursacher halten. Wir werden vor Gericht darum kämpfen und sehen, wieweit wir kommen“, sagte sie in einem Fernseh-Interview. Doch von einem Kampf des niedersächsischen Umweltministeriums vor Gericht um die Sanierung verseuchter Gelände wie Liebenau oder Leese bei Nienburg oder Dörverden ist heute keine Rede mehr. Ganz im Gegenteil: Ein heimliches Gespräch zwischen Griefahn und der IVG steht unmittelbar bevor, auch der Finanzminister Heinrich Swieter (SPD) will mitverhandeln. Vorgespräche gibt es schon seit Monaten. Als am 27. Juni Griefahns Abteilungsleiter Keller mit der IVG zu Gesprächen zusammentraf, wurde der Rahmen abgesteckt: 25 Mio Mark und das 1.200 Hektar große Gelände bei Liebenau/Nienburg bot die IVG an. Das Ministerium wollte aber, so Keller, mindestens 100 Mio Mark in bar haben.

Es sieht ganz so aus, als würden die IVG-Verhandlungen erst einmal ausfallen. Die Grüne Thea Dückert will ihre Fraktion auf Trab bringen. „Wir müssen jetzt Gespräche mit der Umweltministerin und dem Ministerpräsidenten Schröder führen, um herauszufinden, ob das alles stimmt. Und wenn das so stimmt, werden wir dafür sorgen, daß ein solcher Deal nicht abgeschlossen wird.“ Rainer Kahrs

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