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Potsdam wenig tolerant

■ Kritik an abgesagter Diskussion

Das heutige Potsdam steht nach Ansicht von Politikern, Künstlern und anderen Bürgern nicht mehr als Beispiel für Tolerenz. Bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der 1000-Jahr-Feier beklagten sie am Montag abend im Schloß Lindstedt die mangelnde Bereitschaft zur Auseinandersetzung. Es sei notwendig, miteinander zu reden, wenn man in diesem Land zusammenleben wolle, sagte die Schriftstellerin Sigrid Grabner.

Anlaß für die Veranstaltung war die Weigerung von Oberbürgermeister Horst Gramlich (SPD), einen als rechts geltenden Publizisten an einer für den 10. Oktober geplanten Diskussionsrunde über Vergangenheitsbewältigung teilnehmen zu lassen (siehe taz vom 20.8.). Der Chefredakteur der seit kurzem in Potsdam ansässigen rechten Monatszeitschrift Junge Freiheit (JF), Dieter Stein, sollte mit dem PDS-Politiker Gregor Gysi und dem Dekan der Historischen Fakultät der Potsdamer Universität, Julius Schoeps, diskutieren, die ihr Kommen ausdrücklich zugesagt hatten.

Potsdams Stadtpräsident Helmut Przybilski (SPD) verteidigte die Entscheidung Gramlichs. In diesem Falle sei die Toleranzgrenze überschritten worden. Öffentliche Diskussionen auch mit politisch Andersdenkenden seien notwendig, doch müsse dabei der Rahmen beachtet werden – die 1000-Jahr-Feier sei dazu ungeeignet.

Potsdam als Stadt der Toleranz existiere nur noch als nette Werbeaussage, nicht in der Realität, meinte der PDS-Politiker und Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters, Rolf Kutzmutz. Potsdam verliere mit Entscheidungen wie im Falle des 26jährigen Geschichts- und Politologiestudenten Stein an Glaubwürdigkeit. Solange jemand nicht gegen das Gesetz verstoßen habe, dürfe ihm auch niemand unterstellen, daß er es tun werde. dpa

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