Saddam Hussein sieht sich immer mehr bedrängt

■ Berichte über Verhaftungen hochrangiger Politiker im Irak / Krieg im Süden

Berlin (taz) – Im Irak sollen in der zweiten Augusthälfte zahlreiche Personen verhaftet worden sein, die dem weiteren Umfeld Saddam Husseins zuzurechnen sind. Informationen über diese Verhaftungen gingen der Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) zu. Nach einer gestern von ai verbreiteten Erklärung handelt es sich bei ihnen mehrheitlich um sunnitische Araber, von denen einige aus Takrit, der Heimatstadt Husseins stammen sollen. Laut ai sind unter den Festgenommenen der frühere Arbeits- und Sozialminister Abd el- Karim Hani, der Erdölexperte Madschid Adham sowie der Takriter Rechtsanwalt Dschassim Muchlis und dessen Cousin Sufian Muchlis.

Desweiteren sollen laut ai im Irak noch Hunderte festgehalten werden, die während der irakischen Besetzung Kuwaits verschleppt wurden. Dabei handele es sich neben Kuwaitern um Bürger anderer arabischer Staaten, sowie Inder und Pakistaner. Nach Angaben der kuwaitischen Führung sollen insgesamt 750 Kuwaiter im Irak festgehalten werden. ai nennt keine absolute Zahl, veröffentlicht aber die Namen von 140 aus Kuwait verschleppten Personen, die im Irak verschwunden seien. Die irakische Führung behauptet dagegen, alle Verschleppten freigelassen zu haben.

Die ai-Informationen zu den jüngsten Verhaftungen decken sich zum Teil mit Angaben, die am Montag nicht näher bezeichnete irakische Quellen in Jordanien gemacht hatten. Sie berichteten von Verhaftungen und Hinrichtungen von Takritis, die in Zusammenhang mit einem gescheiterten Staatsstreich gegen Saddam Hussein stehen sollen. Der Putschversuch habe Ende Juli stattgefunden. Die irakische Oppositionsgruppe „Irakischer Nationalkongress“ (INC) berichtete Ende August ebenfalls von der Hinrichtung von fünf Mitgliedern der irakischen Führung, darunter zwei Takritis. Der „Takrit-Clan“ gilt als besonders loyal zu Saddam Hussein. Auf den höheren Ebenen des irakischen Machtapparats finden sich mehrheitlich Personenen aus der Heimatstadt Husseins. Die laut ai Festgenommenen sollen keine Verbindungen zur organisierten irakischen Opposition gehabt haben. Diese wird von schiitischen Arabern aus dem Süden Iraks und Kurden aus dem Norden dominiert.

Im mehrheitlich von sunnitischen Arabern bewohnten Mittelteil des Irak gibt es bislang noch kaum oppositionelle Bestrebungen. Berichte, die in jüngster Zeit aus dem Irak kommen, lassen aber auf zunehmenden Unmut gegen Saddam Hussein auch unter den sunnitischen Arabern schließen.

Ende August waren zwei irakische Botschafter zum oppositionellen INC übergelaufen. Saddam Hussein versucht dem drohenden Machtverlust offenbar zu begegnen, indem er die Reihen um sich noch enger schließt. Bei einer Regierungsumbildung am vergangenen Sonntag bestätigte er enge Vertraute, wie den stellvertretenden Ministerpräsideten Tariq Asis. Weniger sichere Regierungsmitglieder, darunter den bisherigen Premier Muhammad Hamsa as- Subaidi und sechs seiner Minister, entließ er.

Bei der dritten Kabinettsumbildung seit Ende des Golfkrieges im Februar 1992 wurden die mit der Wirtschaft des Landes betrauten Ressorts umbesetzt. Hauptaufgabe der umgebildeten Regierung sei es, „neue Wege zu Bekämpfung des Embargos“ zu suchen, erklärte Hussein. Der nach dem Einmarsch in Kuwait am 2. August 1990 gegen den Irak verhängte internationale Boykott gegen das Land lastet schwer auf der Bevölkerung. In Vergleich zur Vorkriegszeit sind die Preise im Schnit um 6.000 Prozent angestiegen. Reis, Milch, Mehl, Zucker, Öl, Tee und seit Anfang des Monats auch Tabak sind rationiert. Weite Teile der Industrie funktionieren nicht, weil Ersatzteile fehlen.

Eine hochrangige irakische Delegation, die letzte Woche aus Bagdad nach New York reiste, soll bei der UNO eine Milderung des Embargos durchsetzen. Die vom Koordinator der irakischen Militär- Industrie, General Amer Muhammad Raschid, geführte Gruppe verhandelt über eine Aufhebung des Öl-Embargos.

Laut Berichten des INC sitzen unterdessen im Süden des Irak Tausende der dort lebenden Schiiten zwischen den Fronten fest. Bei dem Versuch, vor den Angriffen irakischer Truppen in den Iran zu flüchten, seien sie von iranischen Soldaten gestoppt worden. Die iranische Führung beabsichtige, keine weiteren Iraker in das Land zu lassen. Mitte August sollen rund 5.000 irakische Schiiten am See al- Hawizah, an der iranisch-irakischen Grenze ausgeharrt haben. Der britische Journalist Michael Wood, der die Gegend im August bereiste, beschrieb die Situation als „schlimmer als in Bosnien“.

Das irakische Militär führt seit der Aufstände im Frühjahr 1991 eine international kaum beachteten Vernichtungskrieg gegen die in den südirakischen Marschen lebenden Menschen. Mehrere neugebaute Kanäle sollen die schwer zu kontrollierende Sumpflandschaft trocken legen. Satellitenaufnahmen vom August zeigen weite ausgetrocknete Teile der Sümpfe. Thomas Dreger