: Das ist Arafats Privatsache
Nur mit großer Mühe konnte Arafat sich im PLO-Exekutivkomitee durchsetzen
Bis vor kurzem schien es noch so, als würde keiner von beiden aufgeben, bevor er nicht den anderen aus der Welt geschafft habe. Am gestrigen Freitag machten die beiden historischen Erzfeinde, Israel und die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO, dieser Phase zumindest auf dem Papier ein Ende. „Es war eine lange und oft zermürbende Reise“, beschrieb der norwegische Außenminister Johan Jörgen Holst seine Vermittlungsbemühungen der letzten Tage, die schließlich zu dem Abkommen über eine gegenseitige Anerkennung führten.
Obwohl es ein stilles Übereinkommen darüber gab, die Verhandlungen weder zu verzögern noch zu gefährden, hielten beide Seiten bis zu den letzten Minuten hartnäckig an ihren Bedingungen fest. Die PLO forderte die Freilassung aller politischen Gefangenen und die Beendigung der Blockade der besetzten Gebiete. Auch sollte der Weg für die Palästinenser aus der Westbank und dem Gaza- Streifen nach Jerusalem wieder frei gemacht werden. Vor allem aber wollte die PLO Garantien dafür, daß der Vertrag über den Abzug der israelischen Truppen aus Jericho und dem Gaza-Streifen, das nächsten Montag in Washington unterzeichnet werden soll, keinerlei Einfluß auf die zukünftigen Verhandlungen haben werde. Vor allem soll der arabische Teil von Jerusalem verhandelbar bleiben. Nach israelischer Lesart ist das „Vereinigte“ Jerusalem, die untrennbare und ewige Hauptstadt des jüdischen Staates.
In den zähen Verhandlungen der letzten Tage, an denen mehrere arabische und westliche Hauptstädte beteiligt waren, ging es aber vor allem um das Anerkennungsverfahren, da weder PLO- Chef Arafat noch der israelische Ministerpräsident Rabin die Opposition im eigenen Lager brüskieren wollte. Mehrere Szenarien standen zur Diskussion. Eine Möglichkeit war ein Treffen zwischen Rabin und Arafat, die andere der Austausch von Briefen.
Am Donnerstag abend diskutierte das PLO-Exekutivkomitee in einer Marathonsitzung den Entwurf der Briefe, die der norwegische Ministerpräsident, der kurz zuvor in der tunesischen Hauptstadt gelandet war, in der Tasche hatte. Holst mußte bis in die frühen Morgenstunden auf Arafats Unterschrift warten, die er dann nach Jerusalem mitnahm, um sie dem israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin zu übergeben.
Die Mehrheit der PLO-Führung hatte zwar weder Einwände gegen die Anerkennung Israels noch der UN-Resolutionen 242 und 338 — das war schon lange immanente PLO-Politik. Um so härteren Widerstand gab es jedoch gegen einzelne Passagen von Arafats Brief an Rabin.
Auf Kritik stieß vor allem die Zusage Arafats, jede Gewalt gegen Israel einzustellen, was nicht mehr und nicht weniger als das Ende der „Intifada“, des Aufstandes der Palästinenser in den besetzten Gebieten bedeutet. Auf noch mehr Kritik stieß das Versprechen Arafats, daß die palästinensische Polizei diejenigen disziplinieren würde, die die Abmachungen verletzen. Heißt das, daß Palästinenser morgen die Schutztruppe für jüdische Siedler und umgruppierte Truppenteile der israelischen Armee stellen werden? Und wird die PLO zu einer Diktatur wie es so viele in der arabischen Welt gibt, die der Opposition keinen Raum gibt, was, so sagen die schwärzesten Szenarien, zu einem palästinensisch-palästinensischen Bürgerkrieg führen könne.
Auf der Sitzung des PLO-Komitees, an der von 18 nur 13 Mitglieder teilnahmen, fand Arafat zunächst nur 9 Jastimmen. Um eine knappe Mehrheit zu erreichen mußte schriftlich das „Ja“ von Bischof Elias Khoury, der wegen Krankheit an der Sitzung nicht teilnehmen konnte, eingeholt werden.
Die Opposition kam diesmal auch aus dem eigenen Lager. PLO- „Außenminister“ und Fatah-Führungsmitglied Faruq Qaddumi verließ aus Protest über das stille Begräbnis der Intifada die Sitzung. Arafat würde den Preis bezahlen, erklärte er. Allerdings werde er nicht wie andere Arafat-Kritiker in den letzten Wochen seine Mitarbeit in den PLO-Gremien einstellen oder gar zurücktreten, sondern die Opposition innerhalb der PLO führen, kündigte Qaddumi an.
Der Leiter der palästinensischen Verhandlungsdelegation in Washington, Haidar Abdel Schafi, bezeichnete die gegenseitige Anerkennung von PLO und Israel zwar als positiven Schritt, kündigte aber an, daß er an den Feierlichkeiten im Weißen Haus am Montag nicht teilnehmen werde – ein stiller Protest dagegen, daß sich die israelisch-palästinensischen Verhandlungen hinter seinem Rücken und ohne jegliche Konsultation mit der Verhandlungsdelegation abspielten – vielleicht auch ein Zeichen dafür, daß seine Rolle in Zukunft direkt von der PLO gespielt wird.
Die palästinensische Opposition in Damaskus schlug härtere Töne an. Ahmed Jebril von der Volksfront-Generalkommando bestätigte noch einmal seine Absicht, Arafat umbringen zu lassen. Die marxistisch-leninistischen Gruppen der Volksfront und der Demokratischen Front erklärten, der Vertrag sei eine Privatangelegenheit von Arafat, die das palästinensische Volk in keiner Form binde.
Und die islamische Hamas legte einen Plan zur Bildung einer Alternativ-PLO vor. Allerdings soll es nach Informationen aus Damaskus tiefe Differenzen zwischen den Oppositionellen über die nächsten Schritte geben, zumal zu erwarten ist, daß ihre Schutzmacht Syrien über kurz oder lang ebenfalls auf den fahrenden Zug aufspringen und als Gegenleistung für einen Rückzug oder Teilrückzug aus dem Golan ebenfalls Israel anerkennen dürfte.
Die starke Opposition dürfte die PLO sicherlich kurzfristig schwächen. Aber Arafat hofft, daß er durch die offizielle Anerkennung der PLO durch die USA und die europäischen Länder und die politische und finanzielle Unterstützung der Golfländer entlohnt wird. Aus Amman Khalil Abied
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