piwik no script img

V-Mann Steinmetz verwirrt die Szene

In einem neuen Brief an seine früheren Freunde räumt V-Mann Steinmetz ein, in Bad Kleinen festgenommen worden zu sein / Angeblich ein „genialer Schachzug“ der Behörden  ■ Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) – Aller guten Dinge sind drei, muß sich V-Mann Klaus Steinmetz gedacht haben. Der Informant, der die Behörden auf die Spur der RAF-Mitglieder Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams brachte, griff zur Feder – etwa fünf Wochen nach der Schießerei auf dem Bahnhof von Bad Kleinen schickte er seinen früheren Freunden aus der Wiesbadener Szene einen dritten, bislang noch weitgehend unbekannten Brief. Steinmetz, Jahrgang 1960, widerruft darin die Aussagen, die er zuvor gemacht hat.

In einem früheren Schreiben, das am 18. Juli bei FreundInnen in Wiesbaden unter der Tür durchgeschoben wurde, hatte Steinmetz der verunsicherten Szene über den Hergang der mißratenen GSG-9- Aktion noch folgendes mitgeteilt: „Fakt ist auch, daß ich nicht festgenommen wurde, sondern entkam. Für mich sah das so aus, als hätte man mich nicht laufen lassen, sondern es war eher ein Produkt von Pannen und Koordinationsproblemen.“

Zweieinhalb Wochen später waren in den Medien zahlreiche weitere Details über den Informanten verbreitet worden, der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz hatte die Anwesenheit eines V-Mannes in Bad Kleinen eingeräumt. Da bot Steinmetz überraschend eine neue Version an: „Ich wurde wirklich festgenommen und mit Handschellen und vermummt weggeschaft.“ Die neue Darstellung deckt sich jetzt mit der von Birgit Hogefeld, die eine Festnahme von Steinmetz beobachtet hatte. Für das RAF-Mitglied Hogefeld war die ursprüngliche Aussage von Steinmetz, nicht festgenommen worden zu sein (was sie aber miterlebt hatte), der Beleg dafür, daß dieser für Verfassungsschutz oder Polizei arbeitete.

Steinmetz, der auch in dem dritten Schreiben jede Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden dementiert, nennt seine „Festnahme“ den „genialsten Schachzug, den sich unsere Behörden je einfallen ließen“. So sei er nach der Schießerei auf dem Bahnhof zwar weggegebracht, aber schon nach 30 Minuten auf einem Parkplatz wieder freigelassen worden. Ein etwa 40jähriger Mann habe sich ihm dort als Mitarbeiter des Verfassungsschutzes zu erkennen gegeben, der sich „ganz zwanglos“ mit ihm habe unterhalten wollen. Clou der neuen Geschichte: Nachdem Steinmetz eine Zusammenarbeit abgelehnt habe, hätte der Verfassungsschützer erklärt, es werde gegen ihn keinen Haftbefehl geben, er „würde dafür sorgen, daß es so aussieht, daß ich der Verräter bin“. Dieser Verdacht, schreibt Steinmetz, solle ihn isolieren, ihn in eine ausweglose Lage manövrieren und ihn damit letztlich dazu zwingen, sich den Behörden als Kronzeuge zur Verfügung zu stellen.

Schwer verdaulich an der neuen Version sind nicht nur die Widersprüche, sondern auch sein angeblicher Versuch, sich den Behörden zu stellen: „Dann bekam ich den Haß, daß ich so nicht aufgebe, daß ich mich denen stelle, in den Knast gehe und von da aus die ganze Scheiße aufknacke.“ Nach Rücksprache mit einem Rechtsanwalt sei es auf seine eigene Veranlassung hin zu einem Treffen mit dem Karlsruher Bundesanwalt Grießbaum gekommen. Steinmetz erklärt in dem Brief, er sei von Grießbaum mit Briefen, die bei Hogefeld oder dem in Bad Kleinen erschossenen Wolfgang Grams konfrontiert worden, Grießbaum habe auch einige Namern genannt, „die er mit der Guerilla verbunden sieht“. Auch bei diesem Treffen sei die Absicht deutlich geworden, ihn zu einem Kronzeugen aufbauen zu wollen. Er habe aber entschieden erklärt, „daß egal was passiert, ich als Zeuge gegen egal wen nicht zur Verfügung stehe“.

Grießbaum habe während des Gespräches sogar eingeräumt, er wisse, daß Steinmetz mit dem Sprengstoffanschlag der RAF auf den Gefängnisneubau im hessischen Weiterstadt am 27. März 1993 „nichts zu tun habe“. Im Zwischenbericht der Bundesregierung zu Bad Kleinen wird dagegen betont, daß Steinmetz gegenüber dem rheinland-pfälzischem Verfassungsschutz wie auch der Bundesanwaltschaft nachträglich offenbart hat, von einem möglichen Anschlag auf den Knastneubau gewußt zu haben.

Steinmetz schreibt weiter, er habe in seiner Verzweiflung auch Kontakt zur Staatsanwaltschaft in Schwerin aufgenommen, die die Umstände der Schießerei in Bad Kleinen untersucht. Er habe aber bei allen Fragen, die nicht unmittelbar im Zusammenhang mit dem Tod von Wolfgang Grams standen, von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch gemacht. Die Empfänger des Briefes bittet Steinmetz, Birgit Hogefeld ausrichten zu lassen, „daß es von mir keine Aussagen gibt, die sie oder andere belasten“. Steinmetz weiter: „Ich werde meinen Kopf nicht aus der Schlinge ziehen, um ihn durch Verrat zu retten, ich werde ihn aber auch nicht aus dem Fenster strecken, um von einem durchgeknallten Scene- Macker enthauptet zu werden.“

In seinem Schreiben berücksichtigt Steinmetz in auffälliger Weise die Angaben über den Hergang in Bad Kleinen, die zum Zeitpunkt seiner Abfassung bekannt waren; und er fügt Details an, die – wie die Briefe der Hogefeld – erst später bekannt wurden. Dennoch bleiben Widersprüche: So führt Steinmetz beispielsweise an, Hogefeld und Grams nur zweimal getroffen zu haben. Im Zwischenbericht der Bundesregierung werden dagegen vier Treffen mit Hogefeld aufgeführt, die Steinmetz zum Teil erst nach der gescheiterten Polizeiaktion in Bad Kleinen zugegeben hat – womit die Behauptung von Steinmetz, nach seiner gestellten Festnahme keine belastenden Aussagen gemacht zu haben, kaum stimmen kann.

Ein langjähriger Bekannter von Steinmetz, der von der in Berlin erscheinenden Zeitschrift Arranca interviewt wurde, nennt es auffällig, daß sich Steinmetz nach den Ereignissen in Bad Kleinen immer dann in Anrufen oder Briefen zu Wort meldete, „wenn die Stimmung in Wiesbaden besonders stark von Zweifeln geprägt war“. Nach den ersten Berichten über einen in Bad Kleinen anwesenden V-Mann hatten etliche der Mitstreiter von Steinmetz anfangs nicht wahrhaben wollen, daß ihr langjähriger Genosse möglicherweise für den Verfassungsschutz arbeite. Es scheint, resümiert der Interviewte, „der Verfassungsschutz hatte die Diskussionen mitverfolgt. Seine Anrufe und Briefe wurden so plaziert, um die Verwirrung zu vergrößern.“ Als reine Show wolle er die Rechtfertigungsversuche von Steinmetz dennoch nicht abtun. Er glaube auch nicht, daß die Tätigkeit als V-Mann der einzige Grund für die politischen Aktivitäten von Steinmetz war. Er erkenne erst jetzt „die Dimension der Geschichte“ und stelle fest, „daß er von seinem Lebenszusammenhang abgeschnitten ist“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen