: Ein Künstler ohne Ausstrahlung
■ Sampras gewann zwar gegen Pioline und damit die US Open, aber er gewann nicht an Popularität und muß sich nun fragen, ob er sich denn die Brust rasieren sollte
New York (dpa/taz) – Der Schlußakkord paßte zu Turnier und Endspiel: Ein Doppelfehler des französischen Überraschungs- Finalisten Cédric Pioline machte nach zwei Stunden Schluß mit einem gähnend langweiligen Herren-Finale und krönte den Mann ohne Käppi, aber auch ohne große Ausstrahlung, Pete Sampras, zum neuen König der US Open. Die Hälfte der knapp 20.000 Zuschauer war schon aus Flushing Meadow abgewandert, als der 22jährige US-Amerikaner nach dem ungefährdeten 6:4, 6:4, 6:3-Erfolg die Trophäe in Besitz nahm, die er vor drei Jahren schon einmal in Händen gehalten hatte.
Damals war es eine Sensation, diesmal hatte man – und auch er – nichts anderes erwartet, angesichts der Tatsache, daß er vom Halbfinale an nur noch von Nobodies umgeben war. „Daß ich gewinne, hatte ich erwartet, aber nicht, daß es so einfach werden würde“, bilanzierte Sampras, der wieder die Führung in der Weltrangliste übernahm, trocken. Sein Gegenspieler brachte den Verlauf des niveauarmen Endspiels auf den Punkt: „Ich kam gar nicht zum Spielen, weil er mich nicht ließ.“
Mit dem siebten Turniersieg und dem zweiten Grand-Slam-Titel in diesem Jahr ist Wimbledon- Gewinner Sampras auf dem besten Weg, in die Fußstapfen seiner großen Idole Rod Laver und Ken Rosewall zu treten. Sampras überzeugt durch seine brillanten Schläge und seine Emotionslosigkeit auf dem Court. Allein, es fehlt ihm die Popularität, welche die beiden Australier zu lebenden Legenden werden ließen. Andre Agassi urteilte respektlos über seinen Landsmann: „Es ist ein Jammer, daß unsere Nummer eins ausschaut, als sei er eben vom Baum gefallen.“ Und Boris Becker, der Sampras als den besten Tennisspieler bezeichnete, urteilte abfällig: „Aber er ist ein Künstler ohne Ausstrahlung.“ Letzteres hat man, oder man hat es nicht. „Ich kann mein Verhalten nicht für die Fans ändern. Tut mir leid, wenn ihr nichts Aufregendes über mich zu schreiben habt“, giftete er die Journalisten in der Pressekonferenz an, nachdem ihn einer gefragt hatte, warum er in den USA nicht einmal annähernd so beliebt sei wie die abgetretenen Tennis-Rüpel Jimmy Connors oder John McEnroe. „Ich bin das Gegenteil von den beiden. Wenn das negativ sein soll, tut es mir leid“, entgegnete Sampras und fragte in Anspielung auf Agassi: „Soll ich mir vielleicht die Brust glatt rasieren?“
Sicher nicht, aber andererseits reicht brillantes Tennis allein für ein rundes Profil nicht aus. Und Sampras tut nichts, um das zu ändern. „Bei den French Open in Paris hat er zwei Wochen nur in seinem Zimmer gesessen, hat getrunken und gegessen, ist ab und zu ins Kino gegangen und hat Tennis gespielt – und das hat er dann noch alles ganz toll gefunden“, berichtete der werdende Vater Becker, der im übrigen immer mehr zum Papa der Tennis-Szene wird: Der Alltagsphilosoph teilt seine Tennis- Welt in Gut und Böse, kommentiert, rückt zurecht – wie einer, der am Familientisch vor Kopf sitzt.
Vielleicht hat der brave Junge Sampras zumindest in der Yellow press inzwischen bessere Karten. Denn er machte Agassi Konkurrenz, unfreiwillig. Dieser war bisher der einzige, der mit Barbra Streisand eine Dame gehobenen Alters (51) als Freundin vorweisen konnte. Keine andere als Sophia Loren, ebenso alt wie die Streisand, outete sich bei den US Open als großer Fan des blassen Jünglings. Wie ungeahnt wunderbar. Noch einmal Becker: Sport sei nicht nur harte Arbeit – so wie der jüngste Sampras-Werbespot den Käufern von Tennisschuhen glauben machen will, „Sport ist auch Unterhaltung und Show“.
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