Frieden mit Israel – darf man das?

■ Islamische Gelehrte uneins über Israel-PLO-Abkommen

Kairo (taz) – Langsam erwachen die Gegner des Abkommens zwischen der PLO und Israel aus ihrem Schockzustand. Gestern veröffentlichte die libanesische Zeitung Al-Hayat Auszüge einer Erklärung des angesehenen ägyptischen Rechtsgelehrten und moderat-islamistischen Ideologen Scheich Jussuf Al-Qardawi zum Abkommen. „Palästina und Jerusalem gehen nicht nur Arafat, die PLO oder diejenigen, die im geheimen verhandelt haben, etwas an“, heißt es darin. „Es ist eine Frage, die die gesamte Umma – die islamische Gemeinde – betrifft.“ Der Vertrag stürze alle bisherigen Prinzipien der Umma und auch der PLO um. Dabei, so Al-Qardawi, könne nicht die Frage vernachlässigt werden, ob es nach islamischem Recht legitim ist, islamischen Boden abzutreten, solange die Fahne des Dschihad erhoben und die Fähigkeit dazu vorhanden sei. Al-Qardawi fordert die islamischen Rechtsgelehrten auf, eine Konferenz einzuberufen, möglichst in Ägypten oder Jordanien, notfalls auch in Pakistan oder Malaysia.

In Kuwait unterstützten islamistische Aktivisten diese Ansicht auf einem Treffen der „Akademie der islamischen Rechtsauslegung“, die der internationalen „Islamischen Konferenz“ angehört. Ein Fatwa, laut dem Zugeständnisse in der Palästina-Frage nach islamischem Recht haram, also „verboten“ seien, fand die Unterschrift Dutzender Rechtsgelehrter innerhalb und außerhalb der Akademie. Das bereits vor drei Jahren angefertigte Rechtsgutachten wurde vom „Verein für gesellschaftliche Reformen“ verteilt, der von den kuwaitischen Muslimbrüdern ins Leben gerufen wurde. Das Fatwa lehnt jeglichen Kompromiß mit Israel ab. Zu den bekanntesten Unterzeichnern des Fatwas gehören der bereits erwähnte Scheich Al- Qardawi sowie Scheich Al-Ghazali, der ebenfalls als einer der Chefideologen des Islamismus in Ägypten angesehen wird, dazu Scheich Al-Khalili, Mufti des Sultanats Oman; Al-Nahnah, der Vorsitzende der algerischen Partei „Hamas“; Al-Ghannouchi, der Chef der tunesischen Islamisten, sowie weitere Vertreter der sudanischen, ägyptischen, pakistanischen und türkischen Islamisten. Bezeichnend sind auch die Unterschriften des Präsidenten von Afghanistan, Al-Din Rabbani, und seines radikalen Ministerpräsidenten Gulbuddin Hekmatyar.

Über die Frage von territorialen Zugeständnissen im arabisch-israelischen Konflikt gibt es allerdings unter den islamischen Rechtsgelehrten keinen Konsens. Der saudische Mufti, Scheich Abdel Aziz Ben Baz, sprach sich bereits vor einigen Monaten in einem eigenen Fatwa für eine friedliche Regelung und einen Kompromiß zwischen Palästinensern und Israelis aus. Als einzige Bedingung nennt Ben Baz, „daß der Frieden den Muslimen nützt, die Palästinenser ihren Staat bekommen, ihre eigenen Entscheidungen treffen können und daß sie frei von Pein und Unterdrückung leben können“.

Nicht nur unter den Rechtsgelehrten herrschen unterschiedliche Meinungen. Die zwei Flügel des „Dschihad al-Islami“ (Islamischer Heiliger Krieg), der zweitgrößten islamistischen Organisation in den von Israel besetzten Gebieten, bewerten das neue Abkommen völlig unterschiedich. Während die eine Fraktion angekündigt hat, ihre sechs Vertreter aus Protest aus dem palästinensischen Nationalrat (dem Exilparlament der PLO) zurückzuziehen, begrüßte die andere Gruppe das neue Abkommen. Vertreter der Hamas, der größten islamistischen Gruppierung, forderten inzwischen Jemen dazu auf, einen Dialog zwischen den verschiedenen palästinensischen Fraktionen zu unterstützen. Karim El-Gawhary