: 218218: die wichtige Nummer
■ Trotz Karlsruher Urteil: Hamburger Beratungsstellen bleiben bestehen / Pro Familia richtet Info-Telefon für verunsicherte Frauen ein Von Kaija Kutter
Jede Frau, die einen Schwangerschaftabbruch vornehmen will, sollte unbedingt prüfen lassen, ob die Kosten von der Sozialhilfe übernommen werden. Dazu haben gestern Frauensenatorin Traute Müller und Sozialsenator Ortwin Runde aufgefordert. Die beiden SPD-PolitikerInnen stellten gestern die Maßnahmen vor, mit denen Hamburg den Folgen des kathastrophalen Karlsruher Richterspruchs begegnen will.
Wohl größtes Erschwernis ist die Auflage, daß Kassen die Kosten für den Schwangerschaftsabbruch nicht mehr übernehmen dürfen. Da eine Abtreibung bis zu 700 Mark kostet, für viele Frauen ein großes Problem. „Wir haben die Möglichkeiten des Bundessozialhilfegesetzes voll ausgeschöpft“, betonte Runde gestern auf der Landespressekonferenz. Obwohl es viele Frauen nicht wüßten, würde der Gang zum Sozialamt meistens lohnen. Allerdings ist es wichtig, daß die Kostenübernahme vor dem Abbruch beantragt wird, da Sozialhilfe nicht rückwirkend erstattet wird.
Wie die taz berichtete, stellt das neue Abtreibungsrecht für die betroffenen Frauen eine Menge Fußangeln bereit. So wurde einer Sozialhilfeempfängerin von einem Arzt 50 Mark allein für die Beratung berechnet, anschließend die Übernahme der Kosten durchs Sozialamt verweigert und schließlich noch vom Sachbearbeiter vorgehalten, daß sie eine „teure“ Abtreibung mit Vollnarkose gewählt hatte.
„Wenn eine Vollnarkose notwendig ist, wird sie selbstverständlich bezahlt“, beteuerte Runde gestern. Auch soll künftig jede Frau die Möglichkeit haben, die Kostenübernahme bei einem Sozialarbeiter ihrer Wahl zu beantragen. Der Behörde liegt eine Liste mit Sachbearbeitern aus jedem Bezirksamt vor, die Erfahrung mit diesem sensiblem Thema haben. „Die Frauen sind sehr verunsichert“, konstatierte Frauensenatorin Müller. Deshalb gibt es ab Freitag unter der einprägsamen Nummer 218218ein extra Info-Telefon der „Pro Familia“, bei dem Frauen erste Informationen über die neue Rechtslage, den Ablauf der Beratung und die Möglichkeiten der Kostenübernahme zu erhalten. Die Telefonberatung, die zunächst für die Dauer eines Jahres vom Senatsamt finanziert wird, soll gleichzeitig als Anlaufstelle für Beschwerden dienen, über die die Öffentlichkeit und die Behörden regelmäßig informiert werden sollen.
Die Karlsruher Richter haben auch den Beratungsstellen eine Reihe von Auflagen erteilt. So müssen seit dem 16. Juni alle Beratungsgespräche protokolliert werden. Eine Auflage, die die Beratungsgespräche sehr belaste, sagt „Pro Familia“-Geschäftsführerin Regina Lotzmann. Auch wenn die Bögen anonym bleiben, müssen die Frauen vieles von sich preisgeben. Ab 1995 müssen sich die Anlaufstellen zudem der ständigen Kontrolle einer Landesbehörde unterziehen. In der BAGS wurden dafür eigens zwei Stellen eingerichtet. Doch das anerkannt gute Beratungsnetz bleibt Hamburg im vollen Umfang (700 Personen) erhalten. Auch die 80 anerkannten Stellen, die zu Abtreibungen berechtigt waren, praktizieren weiter.
Das Familienplanungszentrum an der Johanniskirche beispielsweise hat extra wegen des Urteils eine räumliche und organisatorische Trennung von Schwangerschaftsabbruch und Beratung vornehmen müssen.
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