: Kleingeist prägt die (Medien-)Köpfe
■ Kamil Taylan, eine Ausnahme im deutschen Fernsehen
Ausländische Journalisten im deutschen Fernsehen? Wenn, dann doch höchstens „in Alibi- Sendungen“. „Außerhalb dieser ,Nischen‘ kommen sie kaum vor. Und wenn, dann sind sie auf Ausländerthemen abonniert.“ Kamil Taylan, Fernsehjournalist beim Hessischen Rundfunk in Frankfurt am Main, gehört zu den wenigen Ausnahmen. Ausländische Kollegen in „Fremdrevieren“, sagt er selbst, könne er bei den 11 Rundfunkanstalten der ARD“ an einer Hand abzählen“. Ein Wunder sei es nicht, daß es keine festangestellten ausländischen Redakteure gebe – die fatale Regierungsparole „Deutschland ist kein Einwanderungsland“ präge noch immer die Köpfe der Rundfunkgremien.
Das Themenspektrum der Beiträge und Features, die der gebürtige Istanbuler als sogenannter fester freier Mitarbeiter in der Redaktion für Politik und Gesellschaft unterbringen kann, ist breit gefächert: es reicht von den Greueln des Balkankrieges über Probleme der Inneren Sicherheit bis zu den Folgen, die sich aus dem neuen Asylrecht ergeben. Für seine Arbeiten ist Kamil Taylan mehrfach ausgezeichnet worden. 1989 wurde ihm für die Dokumentation „Tod in Frankfurt“ über den tragischen Werdegang einer Drogenabhängigen der Preis der Bundesinnenministerkonferenz zuerkannt. Vor drei Jahren, 1990, verlieh die Bonner Ausländerbeauftragte und der WDR dem Journalisten den CIVIS-Preis für sein Feature „Hürdenlauf“, in dem die bürokratischen Schikanen im deutschen Einbürgerungsrecht beschrieben werden.
Kamil Taylan ist in der Türkei aufgewachsen. Das Abitur machte er in der deutschen Schule von Istanbul, die als Eliteschule gilt. Nach Deutschland kam der Sohn eines Ingenieurs 1970, zunächst, um die Universität zu besuchen. In der Mainmetropole Frankfurt studierte er Physik, Soziologie und Volkswirtschaft. Seinen Abschluß erlangte Taylan 1976.
„Natürlich“ habe seine journalistische Karriere in einer Ausländerredaktion begonnen, sagt er. Im Ausländerfunk des HR verdiente er sich die ersten Sporen. Von 1976 an verantwortete er einige Jahre lang die türkischen Sendungen. Ohne den leisesten Anflug von Ironie fügt der 43jährige hinzu: „Das ist halt für die nicht in Deutschland geborenen Ausländer vor 20 Jahren der einzig denkbare Einstieg in den Beruf gewesen.“ Viel geändert hat sich daran wenig. Anfang der 80er wechselte Taylan dann zum Fernsehen. „Gastarbeiterliteratur“ und „Gastarbeiterkultur“ waren die Inhalte seiner ersten Fernsehproduktionen. „Was sonst?“ fragt er. Mit anderen Themenangeboten wäre er damals als nicht „kompetent“ eingestuft worden.
Inzwischen hat er sich als Journalist etabliert. Seine Berichte sind auch in der Tagesschau zu sehen. Keiner fragt mehr nach seiner Herkunft. In Deutschland hat er nun Wurzeln geschlagen: Der Heirat mit einer Deutschen folgte bald die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft. Letzteres sei ausschließlich Ergebnis „praktischer Erwägungen“ gewesen. „In meinem Beruf muß ich viel reisen. Mit dem türkischen Paß braucht man für praktisch alle europäischen Länder ein Visum. Jedesmal irgendwelche Botschaften abzuklappern – das war mir zu anstrengend“, erklärt Kamil Taylan. Er sei in der Türkei geboren und bleibe ein Türke.
An der Lernfähigkeit der Deutschen („Ich meine damit die Mehrheit“) hat der türkische Journalist mit deutschem Paß aufgehört zu glauben. „Wir haben die größten Analysen zum Thema Ausländer gemacht, alles versucht, um dem Rassismus etwas entgegenzusetzen. Nichts hat es gebracht. Durch die Öffnung der Mauer haben die Deutschen einen nationalistischen Aufwind bekommen, den sie nicht verkraften.“ Und es seien nicht die rechtsradikalen Organisationen, die den Weg für Brandanschläge freigemacht hätten, sondern die traditionellen Parteien. Mit der von ihnen entfachten Asyldiskussion hätten sie versucht, „rechts zu überholen“. Die geistigen Täter von Mölln und Solingen seien in Bonn zu suchen.
Der von der CDU aufgestellte Präsidentschaftskandidat Steffen Heitmann, vom Kanzler höchstpersönlich protegiert, passe – so Taylan – zum Zeitgeist, der heute wieder Kleingeist geworden sei. Heitmann nimmt Worte wie Überfremdung vorbehaltlos in den Mund, spricht gar davon, daß ein Ausländeranteil von 27 Prozent in einer Stadt wie Frankfurt „unerträglich“ sei. Taylan: „Wegen Heitmann würde ich nicht auswandern. Aber auch wenn der Cohn-Bendit Präsident werden würde, würde das meine pessimistische Grundhaltung über die Toleranzfähigkeit der Deutschen kaum ändern.“
In seinem Haussender gebe es bei solchen Themen keine Berührungsängste. „Der Hessische Rundfunk hat mich nie zensiert oder mir Auflagen gemacht“, betont er. Solange das so bleibe, denke er nicht an Rückkehr in die Türkei. Franco Foraci
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