Jeff Wall in Luzern: Mit der Suggestion des Technischen, oder gegen sie

Von dem, was Fotografie noch vor fünfzehn Jahren unverbrüchlich auszumachen schien, ist nicht viel mehr übriggeblieben als die Erwartung der Betrachter: Was fotografiert ist, ist geschehen. Das dies bei den neuen Arbeiten des Kanadiers Jeff Wall nur noch in mittelbarem Sinn der Fall ist, gehört zum Störpotential – zum Potential an Verstörendem – in seiner Kunst: Auch das irrwitzige Spektakel afghanischer Soldaten in einer Geröllhalde ist eine aufwendig inszenierte Studioszene. Ob Wall Teile des Bildes einzeln fotografiert und elektronisch montiert hat, ist an der Schlußfassung des Bildes – ein Leuchtkasten von der Größe eines Plakats – nicht zu erkennen. In den verdunkelten Räumen wirken die Riesendias wie eine Kreuzung aus Video, altmeisterlicher Malerei und sakralen Vitrinen.

Angefangen hat Wall – anders als Cindy Sherman, deren Fotografien von vornherein Parodien auf bestehende Bilder waren – mit Arbeiten, die in ihrer dokumentarischen Schlichtheit jetzt ergreifend wirken: Ein Trampelpfad hinter einem Gewerbegebiet, irgendwo in den USA. Dann beginnt Jeff Wall, mit der Täuschung zu spielen: die komplexe, grelle Bizarrerie einer Straßenszene in irgendeinem downtown der amerikanischen Westküste bewegt sich (wörtlich) am Rande des Wahrscheinlichen. Gerade, daß eine Erzählung in ihrem Knotenpunkt begonnen und gleich unterbrochen wird, macht die Anziehungskraft der Tableaus aus. Die Menge der Arbeiten verdeutlicht überraschenderweise nicht, wo Jeff Wall hin will: mit der Unwahrscheinlichkeit gegen die Suggestion des Technischen oder mit der technischen Suggestion an den Unterbau des Surrealen, den Alp. „Dead Troops Talk“ jedenfalls ist – wenn es das sein soll – ein groteskes Monument gegen den Krieg; für eine Kritik der Medien ist es selbst zu ambivalent. Im Katalog, der ausschließlich diese Arbeit würdigt, wird sie verortet als „revolutionäre marxistische Pädagogik“. Da staunt nicht nur die Schweiz. (Kunstmuseum Luzern, bis zum 3.Oktober. Katalog, 22 Franken.)uez Jeff Wall: Tote Soldaten sprechen.

Vision eines aus dem Hinterhalt

überfallenen Spähtrupps der

Roten Armee, nahe bei Moqor,

Afghanistan, Winter 1986

(Detail), 1991/92.