: Die Weltbank schichtet ihre Mittel um
■ Von technischen Großprojekten zu Investitionen in die Lebensbedingungen von Menschen / Das Wort „Erfolg“ taucht im neuen Jahresbericht der multinationalen Entwicklungsorganisation nicht mehr auf
Berlin (taz/dpa) – Um die Armut in Entwicklungsländern zu verringern, sei es sehr viel lohnender, in die Ausbildung von Mädchen zu investieren als in die von Jungen. Diese These vertreten die 24 Exekutivdirektoren der Weltbank in ihrem Jahresbericht 1993. Zur Illustration des Themas Frauenbildung wählte das Gremium ein Foto aus Jamaika: Zwei freundlich lächelnde Mädchen putzen die Schultoilette.
Nachdem sich die Weltbank im Frühjahr vergangenen Jahres offiziell der Aufgabe „Bekämpfung der Armut“ verschrieben hat, stellt sie sich jetzt als Institution im Wandel dar. Nicht mehr von großtechnischen Projekten ist vorrangig die Rede (obwohl diese zumeist weitergeführt werden), sondern von Investitionen in die Menschen, von Partizipation der Bevölkerung und von der Wichtigkeit des Umweltschutzes. Entsprechend werden die Geldmittel der Weltbank und ihrer für die 60 ärmsten Entwicklungsländer zuständigen Tochter IDA langsam zugunsten der Verbesserung der Lebensbedingungen umgeschichtet: 26 Prozent ihrer Investitionsmittel setzt die Bank inzwischen direkt zur Armutsbekämpfung ein.
Während der letzten drei Geschäftsjahre habe die Kreditvergabe für Erziehung, Gesundheit und Nahrungsmittel auf US-Dollar-Basis durchschnittlich um das Fünffache über der des Vergleichszeitraums in den 80er Jahren gelegen.
45 Prozent ihrer Projekte würden inzwischen frauenspezifische Belange berücksichtigen, 1988 sei das erst bei 11 Prozent der Projekte der Fall gewesen. Geld für die Schulbildung von Frauen und Mädchen, so die Weltbanker, lohne sich besonders: Mütter würden einen größeren Anteil ihres Einkommens ihren Kindern zugute kommen lassen als Väter; südasiatische Frauen, die sieben Jahre zur Schule gegangen seien, hätten weniger als vier Kinder, Analphabetinnen im Schnitt sieben; die Kinder gebildeter Frauen in Afrika seien gesünder, ihre Sterblichkeitsrate vor dem fünften Lebensjahr nur halb so hoch wie die der Kinder ungebildeter Frauen.
Zu den größten Kreditempfängern im Kampf gegen Armut und unzulängliche Lebensbedingungen gehörten im abgelaufenen Geschäftsjahr auf dem afrikanischen Kontinent Ghana (141 Millionen Dollar für den Transport- und Erziehungsbereich) und Algerien (200 Millionen Dollar für den Wohnungsbau). In Asien erhielten China für die Landwirtschaft einen Kredit von 147 Millionen Dollar, und Malaysia für Erziehungsmaßnahmen 141 Millionen Dollar. Größter Empfänger war Indien mit insgesamt 800 Millionen Dollar. Spitzenreiter unter den Ländern Lateinamerikas und der Karibik sind Brasilien mit einem Gesamtdarlehen von 600 Millionen Dollar für Umweltschutzmaßnahmen und Mexiko mit 254 Millionen für Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt und im Schulwesen.
Für das laufende Geschäftsjahr (bis 30. Juni 1994) rechnet die Weltbank mit einem neuen Rekord bei der Kreditvergabe von 27 Milliarden Dollar. Im abgelaufenen Geschäftsjahr waren Weltbank (122 Projekte) und IDA (123) insgesamt Verpflichtungen von 23,7 Milliarden Dollar eingegangen. Zur Jahresmitte gehörten 176 Länder der Weltbank und 152 der IDA an. dri
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