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Wie wird Diepgen bloß telegener?

Der entertainerprobte TV-Profi Günter Jauch im Schulstreß: Bis zum frühen Morgen feilten die Berliner Laiendarsteller an der Präsentation ihrer Olympiabewerbung  ■ Aus Monte Carlo Cornelia Heim

Eberhard Diepgen weilt wieder in Berlin. Er müsse ja schließlich trotz Olympia noch „ein bißchen regieren gehen“, ließ er die taz beim Hinflug nach Monte Carlo wissen. Wer nun denkt, Berlins Regierender Bürgermeister verbrachte einen geruhsam-vergnüglichen Abend im Casino, täuscht sich. Diepgen bekam Lektionen in Sachen fernsehgerechten Auftretens. Mit ihm lernten Axel Nawrocki, der Geschäftsführer der Olympia GmbH, IOC-Youngster Thomas Bach, Walther Tröger, der NOK-Präsident, sowie Ober- Sterntaler Edzard Reuter.

Günter Jauch hatte das Vergnügen, der illustren Männergesellschaft einen Hauch von Telegenität zu vermitteln. „Gar nicht so einfach“, gestand er am nächsten Morgen noch etwas übermüdet. Schauspielern will gelernt sein. Was nicht heißen soll, daß staubtrockene Politiker und aalglatte Wirtschaftsbosse die Kunst der Verstellung im richtigen Leben nicht auch beherrschten. Aber auf der IOC-Bühne? Bis zwei Uhr morgens habe man geprobt, verriet ein ermattet wirkender Günter Jauch – unter Ausschluß der Öffentlichkeit, versteht sich.

Was denn dabei so schwierig war? Die Herren reden doch schließlich, wenn sie Berlin am 23. September vor dem IOC als die Olympiastadt feilbieten, jeder nur ein paar Minuten – erst Tröger, dann Diepgen, Kanther, Reuter und Bach und zwischendurch gibt's ein paar Filmclips. „Ach, dann wollte der eine das so nicht sagen, dem anderen paßte das andere erst recht nicht.“ Das fertige Drehbuch aus der Feder von TV-Teacher Jauch stand auf dem Spiel. Sprachprobleme gab's auch: „Das muß ja alles auf Französisch und Englisch sitzen.“ Und komplett war die Riege auch nicht. Im Fernkurs wird das abwesende Trio instruiert, wie es die Schokoladenseite Berlins in der 55minütigen Show schmackhaft machen soll. Der Innenminister wird telefonisch gebrieft, Steffi Graf wohl ebenso, und „Franzi“, sagt Jauch, der nach diesem nächtlichen Schulunterricht wieder in die Hauptstadt zurückjettete, „knöpfe ich mir in Berlin noch einmal selbst vor“.

Wenn das die anderen wüßten, wie die Berliner improvisieren! Vor der ausländischen Presse gehen die Botschafter für Olympia nämlich geschickterweise mit den Qualitäten hausieren, die ohnehin jeder mit Deutschland assoziert: „Gründlichkeit“ und „perfekte Organisation“. Mensch Günter! Da hat sich der Hansdampf auf allen Kanälen richtige Schwerstarbeit eingebrockt. „Es ist denen recht spät eingefallen, daß die Präsentation am 23. September fernsehgerecht sein muß.“ Vor einem Monat erst. Seitdem wirbeln Jauch und Master Media, jene Agentur, welche auch Franziska van Almsick unter Vertrag hat. Woraus sich erklärt, warum sich der Schwimmstar nach anfänglichem Widerwillen doch noch für die Berlin-Reklame erwärmen konnte.

Im First-class-Abteil der Lufthansa ließ sich Diepgen bei TV- Profi Jauch über die verschiedenen Formen der Fernsehmagazine aufklären. Der Grund: „Die IOC-Entscheidung fällt am Bildschirm.“ Nicht weil die ARD das donnerstägige Zeremoniell überträgt. Nein, zum einen wird das Auditorium im Centre de Congrès abgedunkelt. Zum anderen dürfen sich 90 Prozent der IOC-Mitglieder am Rücken der RednerInnen entzücken. Live-Impressionen bekommt lediglich das IOC-Exekutiv-Komitee. Günter Jauch: „Das Gros im Saal sieht wie bei einem Stones- Konzert nur kleine Männchen auf der Bühne, blickt wohl die meiste Zeit auf die beiden überdimensionalen Leinwände.“

Warum man sich als fernsehmachender Karrieremann vor so einen PR-Karren spannen läßt? Günter Jauch macht Job-sharing mit sich selbst. Hier sei er eben nicht objektiver Journalist. In diesem Falle hält er es mit John F. Kennedy: „Ich bin ein Berliner.“ Die Stadt, die früher nur aus „lahmen West-Berlinern“ bestanden hätte, sei wieder so richtig aufregend geworden: „Das muß man der Welt doch zeigen.“

Die Welt sieht ein anderes Bild. Sie hört zur Zeit viel von Demonstranten, Protesten, Anschlägen. Die erste Berlin-Pressekonferenz in Monte Carlo wurde zur Rechtfertigungskonferenz. Australische und chinesische Journalisten machten die Berlin-Opposition zum bestimmenden Thema. Und Diepgen tat sich sichtlich schwer. Er wand sich mit Platitüden aus der Affäre – „die Demokratie lebt von der Opposition“. Und ortete den Widerstand als renitente Auflehnung alter K-Gruppen.

Nimmt man die Auslandspresse als Stimmungsbarometer, hat Berlin am Donnerstag schlechte Karten. Fragen über Fragen – nach der Sicherheit, nach der Vergangenheit von 1936 und 1972, nach dem zweifelhaften Münz-Finanzierungskonzept. Die Antworten sind ausweichend. Man konzentriert sich darauf, den offiziellen Text zu lernen, für die Redner-Show.

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