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Big Business für Berlin und gegen Bonn

■ Regierung soll die Umzugswagen bestellen, fordern 31 Unternehmen, die sich zu einer Initiative „Berlin 98“ zusammengeschlossen haben / Investitionsstopp in Berlin?

Berlin (taz) – Schweres Geschütz gegen einen weiteren Regierungssitz Bonn fuhren gestern der Amerikaner Mark Palmer, Geschäftsführer der Central European Development Corporation, und Jack Schmuckli, Vorstandsmitglied der Sony Corporation Tokio, in Berlin auf. Die internationale Glaubwürdigkeit der deutschen Politik stehe auf dem Spiel, wenn der Regierungsumzug durch eine „imageschädigende ... unwürdige ... kleinliche“ Diskussion über das Jahr 1998 verzögert wird, sagten sie.

In den USA würde die einhellige Meinung lauten: „Keine weiteren Investitionen in Berlin, solange diese Vertrauenskrise vorherrscht“, berichtete Palmer, dessen Firma am Checkpoint Charlie ein riesiges Business Center plant. Und der japanische Sony-Direktor bestätigte, daß das deutsche Lamentieren über den Hauptstadtbeschluß in Japan „mit größter Aufmerksamkeit beobachtet wird“. Sony ist neben Daimler-Benz Berlins milliardenschwerster Investor am Potsdamer Platz.

Die beiden Investoren gehören neben 29 weiteren, allerdings deutschen Unternehmen zu den Wortführern einer Initative, die sich „Berlin 98“ nennt. In einem dramatisch anmutenden Appell beschworen sie die Bundesregierung, alsbald umzuziehen. Nach der „enttäuschenden Olympiaentscheidung sei dies dringend, um den Wirtschaftsaufschwung in Berlin und in den neuen Ländern in Gang zu bringen“, heißt es in der gestern veröffentlichten Erklärung. „Die Wirtschaft brauche Planungssicherheit“, sagte Manfred Gentz, Vorstandsmitglied von Daimler-Benz. Es gebe bereits eine wachsende Zahl von Investoren, die ihre Entscheidung für Berlin „revidieren oder erheblich verzögern“, berichtete er. Sein eigenes Unternehmen allerdings werde am geplanten Baubeginn, am 11. Oktober, festhalten.

Auf die Frage eines Journalisten, ob Sony ebenfalls daran denke, das Berlin-Engagement einzuschränken, wenn die in zwei Wochen geplante Abstimmung im Parlament enttäuschend verlaufe, antworte Schmuckli ausweichend. Sonys Entscheidung, das europäische Headquarter in die Stadt zu verlegen, sei ein „spontanes, begeistertes und emotionelles Bekenntnis für Berlin gewesen“, meinte er. Jetzt brauche diese „Begeisterung aber eine Bestätigung“.

Indirekt warnte er damit auch den Berliner Senat, das Sony-Projekt nicht durch Denkmalschutzauflagen zu verzögern. Denn seit Monaten gibt es Ärger um Sonys Vorhaben, die Innenräume des traditionsreichen Grand Hotel Esplanade am Potsdamer Platz teilweise abzureißen.

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen äußerte sich nach der Olympiaschlappe sichtlich erfreut über die Unternehmensinitiative. Die unter dem Logo „Berlin 98“ versammelten Firmen würden ein Investitionsvolumen von 40 Milliarden Mark und 175.000 Arbeitsplätze vertreten. Sollte der Regierungsumzug um weitere zehn Jahre verschoben werden, drohe nach Berechnungen der Berliner Bank der Stadt und der Region Brandenburg ein Verlust von 21,7 Milliarden Mark Bruttoinlandsprodukt. Anita Kugler

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