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Schnauze auf bis zum Anschlag Von Mathias Bröckers

Knapp 250 Millionen Mark hat Berlin für den Olympia-Flop in den märkischen Sand gesetzt. Geld für tausend neue Wohnungen, von denen die Berliner Bevölkerung hätte profitieren können – statt dessen bleibt einmal mehr das altbekannte Motto: Außer Spesen nichts gewesen.

Immerhin weiß man jetzt, was eine IOC-Stimme kostet: Bei den gerade sieben Stimmberechtigten, die Berlin neben den zwei deutschen Juroren für sich gewinnen konnte, schlägt jedes Votum mit knapp 35 Millionen Mark zu Buche – eine Summe, die den Stadtverantwortlichen schlagartig klarmachen sollte, daß eine Neubewerbung für das Jahr 2004 nicht in Frage kommen kann. Und die auch anderen potentiellen Kandidaten, wie dem in den Startlöchern stehenden Ruhrgebiet, zu denken geben sollte. So schön das auch sein mag – Olympia auf Schalke –, das Risiko, erneut durchzufallen, ist nach dem Berliner Debakel kaum kleiner geworden.

In der Hauptstadtpresse hat der olympische Durchfall das große Flattern ausgelöst: Die fiebrige Gelbsucht, in die sich die Berliner Medien hineingesteigert hatten, ist auf einen Schlag kuriert, der schön grinsende Bär auf gelbem Grund weicht mit einem Mal einem schlaffen Sack. Was in den letzten Monaten an multimedialer Bärchen-Begeisterung hochgekocht worden war, verdiente zu Recht die Bezeichnung „Gleichschaltung der Medien“; in allen Kanälen und Kommentarspalten, von der Brötchen-Tüte bis zum Polizeiwagen, wurde Olympia als Jahrtausendchance gepriesen. Jetzt, nach der sang- und klanglosen Abwahl Berlins, wundert man sich um so heftiger.

„Große Schnauze – nichts dahinter?“ moniert Springers Morgenpost – ohne eine Zeile darüber zu verlieren, daß man es selbst war, der in den letzten Monaten die Schnauze bis zum Anschlag aufgerissen und auf der Stimmungsglatze Begeisterungslocken en gros gedreht hat. Statt Selbstkritik zu üben, überschlägt man sich lediglich mit Ursachen- und Schuldzuweisungen.

Was scheren uns die Sprechblasen von gestern, wenn heute wieder neue gefüllt werden können. Der Millionen-Flop, so der Chef der Olympia GmbH, hätte immerhin das deutsche Ansehen im Ausland aufpoliert. In Wahrheit hat er nur gezeigt, wie niedrig dieses Ansehen mittlerweile eingestuft wird: Istanbul schied aus dem Rennen als erstes aus, weil es in seiner Stadt kein trinkbares Leitungswasser garantieren kann. Als zweites flog Berlin aus dem Rennen – und dies sicher nicht wegen technischer Mängel, sondern weil Städtenamen wie Rostock, Mölln und Solingen mittlerweile eben international berüchtigt sind.

Mit glitzerndem Reklame-Tinneff läßt sich das Image vom häßlichen Deutschen – vom freudlosen Geldsack mit Mercedes bis zum grölenden Nazi-Schläger mit Schäferhund – eben nicht reparieren. Schon fragt Bild: „Was stört das Ausland an uns Deutschen?“ – um die selbstgestellte Frage sogleich selbstbeweihräuchernd zu beantworten: „Die ausländischen Reaktionen waren meist positiv: Die Deutschen sind friedlich, höflich – nicht großkotzig.“ Ham wa jelacht, nach dem olympischen Flop scheint eher der holländische Witz zuzutreffen: „Warum haben die Deutschen kein Aids? Weil sie keine Freunde haben.“

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