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Mehr als Selbsthilfe

■ 10 Jahre Deutsche Aids-Hilfe / 60.000 HIV-Infizierte und 10.000 Aidskranke

Berlin (taz) – Gegründet wurde sie vor zehn Jahren als Selbsthilfeverein gegen aufkommende Aids- Hysterie und eine gefürchtete Pogromstimmung gegen Schwule – heute ist die Deutsche Aids-Hilfe eine professionelle Anlaufstelle mit 600 hauptamtlichen und 6.000 ehrenamtlichen MitarbeiterInnen.

Inzwischen sind in Deutschland über 60.000 Menschen mit HIV infiziert, 10.000 an Aids erkrankt. „Nach wie vor sind Schwule und Drogengebraucher die Hauptbetroffenengruppen“, sagt DAH- Vorstandsmitglied Guido Vael anläßlich des zehnjährigen Bestehens gestern in Berlin. Für die Risikogruppe der Drogenabhängigen, deren Infektionsrate im Gegensatz zu den Schwulen steige, seien dringend staatlich geförderte Drogenersatzprogramme erforderlich, um die Ansteckungsgefahr zu verringern. Zunehmend betroffen sind aber auch Frauen sowie sogenannte Sex- und Geschäftstouristen. Aber: Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sei die Infektionsrate insgesamt „sehr niedrig“; sie liege bei 2.000 im Jahr.

Standbein der DAH ist die „strukturelle“ Vorbeugung von Aids, die auf Aufklärung, Beratung und Betreuungseinrichtungen von Aidskranken abzielt. Für diese Arbeit – zur Zeit gibt es 130 Beratungsstellen und Wohnprojekte – bekommt die DAH jährlich sieben Millionen Mark von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, weitere drei bis vier Millionen Mark Etat sind Spenden und „social sponsoring“.

Die für das Vorstandsmitglied „bisher erfolgreiche Arbeit“ kann aber bald drastische Einbußen erleiden: Ab 1995 soll der Aids-Etat nach Plänen des Bundes um die Hälfte gekürzt werden. „Die Gefahr ist groß, daß die Kürzungen in den Etats als Entwarnungssignal verstanden werden können“, befürchtet Guido Vael. Gerade junge Menschen – 73,2 Prozent HIV-Infizierte und Aidskranke sind zwischen 20 und 39 Jahre alt – betrifft das besonders hart: Sie verfügten kaum über eigene Ersparnisse, noch haben sie einen ausreichenden Rentenanspruch. Seine Einschätzung: „Die soziale Not der infizierten und erkrankten Menschen verschärft sich zunehmend.“

Bisher gilt die deutsche Aids- Politik international als vorbildlich. Die geplanten Kürzungen lassen aber befürchten, so Guido Vael, daß die erzielten Erfolge leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. „Die Einsparungen von heute sind die Kosten von morgen.“ jul

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