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Hilflose Allgemeinplätze aus dem Kanzleramt

■ Runder Tisch „Bekämpfung von Gewalt“

Bonn (taz) – „Die richtige Diagnose ist wahrscheinlich ebenso komplex wie das Phänomen selbst.“ Mit dieser und anderen – nicht minder scharfsinnigen – Ausführungen begrüßte Helmut Kohl gestern im Kanzleramt zu Bonn Repräsentantinnen und Vertreter eines breiten Spektrums von gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen, um mit ihnen Strategien gegen Anschläge auf Ausländer und andere Minderheiten zu erörtern. Kohl hatte diesen Runden Tisch vor knapp vier Monaten nach dem Brandanschlag von Solingen vorgeschlagen.

Jetzt forderte er zu einer „großen Gemeinschaftsanstrengung“ auf, um die „zunehmende Gewaltbereitschaft, gerade auch unter jungen Menschen“, zu bekämpfen. Dies sei nicht allein Sache der Politik und des Staates. Gewalt, Fremdenhaß und politischer Extremismus müßten geächtet werden, sagte der Kanzler dem vorab verbreiteten Redetext zufolge. Dazu gehöre auch die Vermittlung von Tugenden wie Bürgersinn, Rücksichtnahme und Mitmenschlichkeit. „Wir müssen wieder stärker den Zusammenhang zwischen Rechten und Pflichten, zwischen Freiheit und Verantwortung ins öffentliche Bewußtsein rücken. Wer dies als ,restaurativ‘ oder gar ,reaktionär‘ bezeichnet, der sollte die Fage beantworten, auf welche Weise sonst der Zusammenhalt eines Gemeinwesens gesichert werden kann.“ Die bestehenden Gesetze gegen Gewalttäter müßten voll ausgeschöpft werden. Notfalls müsse der Gesetzgeber aber auch bereit sein, das geltende Recht zu verschärfen. Kohls Protegé, die Jugendministerin Angela Merkel (CDU), forderte mehr Unterstützung für die Jugendpolitik auf allen Ebenen. Diese dürfe „keine beliebige haushaltspolitische Verschiebemasse“ sein. Frau Merkel betonte, die meisten Jugendlichen lehnten Gewalt ab. Es gebe jedoch „eine Entfremdung zwischen der jungen Generation und der Welt der Erwachsenen“, durch die junge Menschen sich immer öfter an den Rand gedrängt fühlten. Manche Jugendliche reagierten darauf mit Aggression oder der Zuflucht zu denjenigen, die einfache Lösungen und Sündenböcke anböten. Auch dies seien jedoch „Kinder unserer Gesellschaft“, befand die Ministerin. Ihnen müßten wieder Orientierung und Achtung vermittelt werden, wobei vor allem die Erziehung in Familien und Schulen gefordert sei. Dabei genüge es nicht, Kindern in der Schule nur Wissen zu vermitteln. Sie müßten auch zu Mitmenschlichkeit und Toleranz erzogen werden.

Der Vorsitzende der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG), Roland Issen, bezeichnete Massenarbeitslosigkeit als Nährboden für politischen Radikalismus.

An dem Runden Tisch saßen unter anderem Funktionäre der Gewerkschaften, Medien, Arbeitgeber, Sportverbände und Kirchen. Aber auch der türkische Botschafter in der Bundesrepublik, Onur Öymen, sowie die Bundesminister Manfred Kanther, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Rainer Ortleb waren mit von der Partie.

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