: Die zwei Erinnerungen der Zeugin L.
■ Hepp-Prozeß: Hauptbelastungszeugin überrascht mit Wechsel von Erinnerungslücken und präzisem Gedächtnis
„Kann sein, kann auch nicht sein“, „weiß ich nicht“, „kann mich nicht erinnern“ – mehr als diese kargen Worte waren der Hauptbelastungszeugin Marita L. über Stunden nicht zu entlocken. Vergeblich blieben Mahnungen der Verteidigung von Ilona Hepp, das Gedächtnis anzustrengen. So vermochte sich die ehemalige Freundin von Nicolas Hepp, den seine Schwester angeblich aus Habsucht ermorden lassen wollte, nicht einmal daran erinnern, ob sie mit Nicolas Hepp nach der Trennung im August 1992 noch Reisen nach Paris und Zürich unternahm. Bestärkt wird der Verdacht, die Zeugin verschweige manches, durch sehr präzise Erinnerungen in anderen Punkten. Ein gutes Gedächtnis offenbart die Zeugin in der Frage, wie sie von Ilona Hepp im Februar 1992 mit der Suche nach einem Killer beauftragt wurde – obwohl man „schön einen getrunken“ hatte und die Zeugin eingestandenermaßen keinen Alkohol verträgt.
Die Glaubwürdigkeit der Zeugin beeinträchtigt zudem eine Vielzahl von Aussageverweigerungen, bei denen sie nachdrücklich von ihrem mitgebrachten Anwalt unterstützt wird. Wegen Eigenbelastung in möglichen Strafverfahren wegen Diebstahls, Steuerhinterziehung, Erpressung und Prozeßbetrugs weigerte sich Frau L., Angaben zu machen zum Verbleib des Heppschen Familienschmucks, zur Finanzierung ihres Textilhandels, zu den Inhalten von mitgeschnittenen Telefonaten und der Verwendung der „Anzahlung“ von 10.000 Mark für die Killersuche. In einem Zivilverfahren – Ilona Hepp will das Geld zurückhaben – gab Marita L. dagegen an, die 10.000 Mark seien ein Geschenk für die Finanzierung ihres Geschäfts. Auch die Frage, wer der vermögenslosen Zeugin die Anwaltskosten – im Raum steht die Summe von 3.000 Mark täglich – bezahlt, blieb unbeantwortet. Merkwürdig mutet auch an, daß sämtliche Briefe in der Anwaltskanzlei verlorengingen, die der Kunsthistoriker Nicolas Hepp an die Zeugin L. schrieb. Einen Brief, in dem Nicolas Hepp seine ehemalige Freundin beschuldigt, sie habe ihm vorgeschlagen, zur Lösung seiner Erbschaftsprobleme doch seine Schwester Ilona töten zu lassen, hat Marita L. erst vor wenigen Wochen vernichtet. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Gericht bereits die Herausgabe der Briefe verlangt.
Ilona Hepp wies ihrerseits darauf hin, daß die nun in Abschrift vorliegenden illegal mitgeschnittenen Telefonate ihre Version belegen. Danach sei es bei der Beauftragung von Marita L. nur um die Wiederbeschaffung des von Nicolas Hepp nach dem Tod der Mutter im Dezember 1991 unberechtigt mitgenommenen Familienschmucks ging und nicht um dessen Ermordung. Anderenfalls würde sie sich kaum über die für den September 1992 geplante Hochzeit von Marita L. und ihrem Bruder unterhalten, wenn dessen Ermordung bereits für Ende Juni festgelegt war. Gerd Nowakowski
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