■ Das Portrait: Waldemar Pawlak
Klug gewendet Foto: Reuter
33 Tage lang, während des heißen Sommers 1992, war Waldemar Pawlak Ministerpräsident Polens. Dann gab er sein Mandat zurück, weil es ihm nicht gelang, für seine Regierung eine parlamentarische Mehrheit zu finden. Die Amtszeit des Vorsitzenden der Bauernpartei PSL hatte lang genug gewährt, um dem betont geschäftsmäßig agierenden Politiker ein positives öffentliches Image zu verschaffen, und sie war gleichzeitig kurz genug, um ihm irgendwelche unpopulären Entscheidungen zu ersparen. Pawlak, 1959 im zentralpolnischen Plock geboren, gelernter Landmaschineningenieur und Einzelbauer, war schon vor der demokratischen Wende eine der Nachwuchshoffnungen der Blockflöte PSL gewesen. Ohne viel öffentliches Aufsehen hievte die PSL nach 1989 Pawlak auf den Stuhl des Parteivorsitzenden, wo er fortan mit bemerkenswerter Konsequenz die Hauptforderungen der polnischen Einzelbauern vertrat: Zollerhöhungen für resp. Kontingentierung von landwirtschaftlichen Produkten aus dem Ausland, insbesondere aus dem EG-Raum; billige Kredite für die Bauern; staatlich garantierte Minimalpreise für polnische Agrarerzeugnisse. Unter Pawlaks Führung gelang es der PSL, die zersplitterten Bauernparteien aus dem Solidarność-Lager entweder auf ihre Seite zu ziehen oder zu marginalisieren. Dabei half ihr der Umstand, daß die konkurrierende Bauernpartei/Bauernallianz in der Regierung Suchocka den Landwirtschaftsminister gestellt und bei den Wahlen prompt für die subventionsfeindliche Haltung ebendieser Regierung bestraft wurde.
Im Unterschied zur DDR waren in der polnischen Volksrepublik die landwirtschaftlichen Betriebe nie in Genossenschaften zwangsumgewandelt worden, der PSL fiel es daher nicht schwer, wieder an die Traditionen der „klassischen“ Einzelbauernparteien Vorkriegspolens anzuknüpfen.
Sollte sich die Koalition aus „Linksbündnis“ und Bauernpartei tatsächlich auf Pawlak als Ministerpräsidenten einigen, spräche dies ein weiteres Mal für das taktische Geschick der postkommunistischen Sozialdemokraten. An der Westorientiertheit der polnischen Außenpolitik würde sich unter Pawlaks Führung wenig ändern, aber im Kampf um Einfuhrquoten und Zölle würde den Brüsseler Technokraten künftig ein knochenharter Gesprächspartner gegenübersitzen. Christian Semler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen