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Ausnahmeregion Bihać

■ Die muslimische Enklave ist fest in der Hand ihres „Präsidenten“ Fikret Abdic

Seit am 6. April 92 der Krieg in Bosnien-Herzegowina begann, kämpften sie auf verlorenem Posten, die Muslime der Region Bihać. Umgeben von serbischen Freischärlern sah die Lage in den Bezirken Bihać, Bosanska Krupa, Cazin und Velika Kladusa nicht rosig aus. Vor allem in den Bezirken Prijedor und Sanski Most, wo die muslimische Bevölkerung mit 44 und 47 Prozent zwar die größte Gruppe, aber nicht die Mehrheit stellte, wurden von den serbischen Freischärlern große Verbrechen begannen: Tausende wurden ermordet, Dörfer und Städte wurden dem Erdboden gleichgemacht.

Mit einem muslimischen Bevölkerungsanteil von über 90 Prozent gelang es jedoch den Muslimen in den Bezirken um Bihać bis heute zu widerstehen. Und das, obwohl in der Stadt Bihać selbst eines der größten Militärlager der jugoslawischen Volksarmee existierte. Dazu der Militärflughafen, der mit seinen unterirdischen Hangars zu den modernsten Europas gehörte.

Obwohl die Armee im Sommer 1992 aus Bihać abzog, blieb die Lage brisant: Von Südosten her näherten sich die serbischen Freischärler der bosnischen Krajina, im Westen und Norden hatten die serbischen Truppen der Knin-Region unabhängig von dem Einsatz von UNO-Truppen das angrenzende kroatische Territorium fest in der Hand. Die Gebiete im Südosten wurden verloren. Und dennoch gelang es den rund 800.000 Menschen, die Verteidigung zu organisieren. Großen Anteil daran hatte der „Chef“ der Region, Fikret Abdic, der sich inzwischen zum „Präsidenten“ der „autonomen Provinz Westbosnien“ erklärt hat.

Abdic, der schon in den 70er und 80er Jahren Spitzenpositionen im Bund der Kommunisten Bosniens innehatte, erwies sich als guter Organisator. Nicht nur, daß die Muslime der Region um Bihać nicht unvorbereitet in den Krieg gingen. Sie hatten anders als die bosnische Regierung in Sarajevo auch für Waffen und Munition gesorgt. Auch später gelang es ihm, die Kommunikation zu Kroatien aufrechtzuerhalten. Als gewiefter Geschäftemacher soll es ihm sogar gelungen sein, den Serben der Krajina Waffen abzukaufen. Sind es diese Beziehungen, die ihn heute davon sprechen lassen, daß man wieder ein Zusammenleben organisieren müsse? Hat er eigenmächtig Absprachen mit den Nachbarn getroffen? Käme es zu einem neuen kroatisch-serbischen Krieg um die Krajina, würden die Muslime von Bihać in eine Schlüsselposition rücken. Abdic agiert für seine Region und macht so seine eigene Politik. Es spricht aber nicht für ihn, daß ihm das Schicksal eines bosnisch-muslimischen Staates in Zentralbosnien und Sarajevo offenbar gleichgültig ist.

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