: Eine blühende Phantasie
■ Flapsige „Hacke“ diffamiert „Birne“: Prozeß gegen Scientology-Pressesprecherin wegen Nötigung und Beleidigung Von Eugen Kirch jr.
Die Szenerie stimmt: Vor dem Gericht steht ein Mann mit leicht irrem Blick und Transparent: „Ursula Caberta aus der Innenbehörde hat meine Existenz vernichtet!“ Die Angeklagte Gisela Hackenjos, Pressesprecherin von Scientology, präsentiert sich selbstsicher und ruhig: „Ich bin eine unbescholtene Frau.“ Nur wenn sie in die Defensive gerät, zupft sie nervös den Rocksaum ihres grauen Kostüms übers Knie und guckt dabei beschwörend Richter oder Staatsanwalt aus ihren überschminkten Augen an. Seit gestern steht Gisela Hackenjos wegen „Beleidigung“ und „Nötigung“ vor dem Amtsgericht.
Die Anklage wirft der 48jährigen gelernten Modedesignerin vor, im Juli 1992 während einer Live-Sendung in „Klassik Radio“ angerufen zu haben, um die Sekten-Gegnerin Renate Hartwig als „kriminelle Frau“ zu denunzieren. Dabei warf sie auch der SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Uschi Caberta vor, ihr Mandat „zerstörerisch“ gegen ihre Kirche „zu mißbrauchen“. Wochen später drohte Hackenjos dem freien Journalisten Uwe Birnstein (taz, Mopo, epd, Sonntagsblatt) in einem Telefongespräch, da sie über Artikel verärgert war: „Ihre letzte Stunde hat geschlagen.“ Auf die Frage, wie das gemeint sei: „Das überlasse ich Ihrer blühenden Phantasie.“
Die Juweliersgattin bestreitet derartige Äußerungen nicht, sie geht hingegen vor Gericht in die Offensive: Renate Hartwig habe den Scientologen – natürlich zu Unrecht – vorgeworfen, ihre Geg-ner durch Morddrohungen zu terrorisieren. Hackenjos: „Sie hat Rufmord gegen unsere Kirche betrieben.“ Über Uwe Birnstein äußert sich die Scientologin eher enttäuscht. Ihre Abteilung habe sich damals sehr intensiv um ihn gekümmert: „Wir glaubten, daß er über unsere Kirche so berichtet, wie sie ist.“ Im Klartext: Wie die Scientologen sie dargestellt haben wollten. „Es kam aber nicht heraus, was wir uns erhofft hatten. Er hat unser Vertrauen schändlich mißbraucht, indem er bösartige Artikel verfaßt hat“, so Hackenjos.
Ihre damalige Äußerung möchte sie heute lediglich als Kontaktabbruch verstanden wissen: „Ich wollte diesen Kontakt nicht mehr haben.“ Eine Drohung, „ihm an den Kragen zu gehen“, weist sie von sich. Sie habe damals einen „flapsigen Umgangston“ mit Journalisten gepflegt, in dem sie ihn „Birne“ und er sie „Hacke“ genannt habe. Die Scientologin entschuldigend: „Es tut mir leid, wenn Herr Birnstein das so aufgefaßt hat, wie er es offensichtlich aufgefaßt hat, weil es nicht so gemeint war.“
Uwe Birnstein kann sich an derartige Vertraulichkeiten wie „Hacke“ und „Birne“ nicht erinnern. Im Gegenteil: Er habe den Anruf zunächst als „physische“, dann aber eher „psychische Drohung“ verstanden, daß die Sekte ihm durch Diffamierungen in den Redaktionen die Existenz zerstören könnte.
Ganz anders präsentiert sich Hackenjos Münchner Scientology-Anwalt Blüme. Das Angebot von Staatsanwalt Dietrich Klein, das Verfahren gegen Zahlung des Strafbefehls von 2400 Mark vom Tisch zu bekommen, lehnt er kategorisch ab. In bayerischer Manier und polternden Monologen versucht er stattdessen, die Opfer zu Tätern zu machen, das Verfahren an sich zu reißen, um zu beweisen, daß es sich bei der Sekte um keine kriminelle oder „faschistoide Vereinigung“ (Caberta) handele. Der Prozeß wird fortgesetzt.
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