Zehn Polizisten gegen eine Frau

■ Freispruch für zehn Polizisten vom Vorwurf der Körperverletzung trotz erheblicher Zweifel an ihrer Unschuld

Mit einem Freispruch im Zweifel für die Angeklagten ging gestern ein Aufsehen erregender Prozeß gegen zehn Polizisten zu Ende. Den Beamten im Alter von 23 bis 32 Jahren war vorgeworfen worden, eine 23jährige Studentin in der Nacht des 17. Juni 1990 so geschlagen und mit Füßen getreten zu haben, daß sie schwere Blutergüsse am ganzen Körper erlitten hatte. Die schwersten Verletzungen waren die Hämatome an den Schienbeinen: jeweils etwa 10 mal 25 Zentimeter groß.

Aufgrund des Alters der Angeklagten hatte der Prozeß vor einem Jugendschöffengericht stattgefunden. Richterin Eberhard betonte in der Urteilsverkündung, daß sie wegen des Freispruchs ein „ungutes Gefühl im Magen“ habe: „Irgendwas war da ja.“ Zumindest seien wohl Bemerkungen über den Namen der Zeugin gefallen, und es sei zu „Schubsereien oder einem kleinen verstohlenen Tritt“ gekommen. Die Angeklagten hatten den Vorwurf der Körperverletzung im Amt bestritten oder keine Aussage gemacht.

Die 23jährige zierliche Studentin hatte den Vorfall vor Gericht so geschildert: Sie sei mit ihrem Fahrrad durch Kreuzberg gefahren und von den Beamten einer Einsatzbereitschaft angehalten worden, weil das Rad nicht beleuchtet war. Sie habe keine Personalpapiere dabei gehabt, den Beamten aber ihren Namen genannt. Die Beamten hätten sich über den ausländisch klingenden Namen lustig gemacht und verlangt, diesen zu buchstabieren. Anschließend hätten sie sie aufgefordert, mitzukommen. Sie hätten sie vom Fahrrad gerissen und in den hinteren Teil des Polizeifahrzeuges gestoßen. Dort hätten sie sie getreten und an den Haaren gezogen. Als sie mit dem Gesicht nach unten am Boden lag, habe sie weitere Tritte bekommen.

Für die Staatsanwältin stand in dem Prozeß zweifelsfrei fest, daß die junge Frau die Wahrheit gesagt hat. Warum sonst hätte sie sich als Zeugin der Belastung ausgesetzt, gegen zehn Polizisten anzutreten, fragte sie und forderte, für acht der Beamten drei Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung. Einzig den beiden im Führerhaus sitzenden Beamten hielt sie zugute, von dem Geschehen möglicherweise nichts mitbekommen zu haben.

Der aus Furcht am ganzen Leibe zitternden Zeugin war der Auftritt vor Gericht sichtlich schwer gefallen. Nach dem Urteil brach sie in Tränen aus. Von den zehn Verteidigern der Angeklagten hatte sie sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, das Tatgeschehen in einer Mischung aus Aufregung und Trunkenheit „zusammenfabuliert zu haben“. Verteidiger Bärlein erdreistete sich sogar, ihren ausländisch klingenden Namen so gespreizt auszusprechen, als würde er buchstabieren.

Ein anderer Verteidiger bezweifelte ihre Sehtüchtigkeit, schließlich trage sie heute im Gegensatz zu damals eine Brille. „Kann es nicht auch sein“, fragte er, „daß ihre Verletzungen durch die Erschütterungen des Polizeiwagens eingetreten sind?“ Plutonia Plarre