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Lernziel: Kommunikation und Austausch

■ Ein Projekt zur Förderung ausländischer Kinder und Jugendlicher als pragmatische „Service-Agentur“ für Schulen und Stadtteilinitiativen

„RAA“ – drei Buchstaben stehen für „Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von ausländischen Kindern und Jugendlichen“. Insgesamt 17 dieser Arbeitsstellen gibt es in den alten Bundesländern, alle im Ruhrgebiet, weitere 6 seit der Wende in den neuen Bundesländern. Jede dieser Einrichtungen hat ein eigenes Profil entwickelt, setzt mit Blick auf das regionale Umfeld unterschiedliche Schwerpunkte. Dabei sind die Öffnung der Schule zum Stadtteil und die interkulturelle Erziehung traditionelle Arbeitsbereiche aller RAA. Als „Service-Agentur“ (finanziert aus Mitteln des Landes und der Freudenbergstiftung) können sie von Schulen und Stadtteilinitiativen in Anspruch genommen werden. Die deutschen und ausländischen Diplom-PädagogInnen, LehrerInnen und SozialarbeiterInnen unterstützen sie dann in ihrem „ganz normalen“ Unterricht oder bei der Entwicklung von Projekten. Darüber hinaus konzipieren die RAA-MitarbeiterInnen neue Unterrichtsmaterialien, sie beraten LehrerInnen aller Schulformen, auch der Berufsschulen, und führen Seminare für Lehrer durch.

Ursprünglich als Unterstützungsnetzwerk für Angehörige aus den ehemaligen Anwerbeländern installiert, umfaßt die Arbeit der meisten RAA heute einen größeren Personenkreis. Beispiel: die RAA-Dortmund. Sie läßt seit dem Schuljahr 1992/93 die Beschreibung „ausländische“ weg und hat auch konzeptionell neue Wege beschritten. Nach wie vor geht es, so die RAA-Mitarbeiterin Ulrike Klingsporn-Demirer, „um eine Verbesserung der Bildungs- und Lebenschancen zugewanderter Kinder und Jugendlicher, aber die Zielgruppen für Maßnahmen der RAA werden jetzt projektbezogen definiert“. So unterstützt die RAA Grundschulen in sog. „sozialen Brennpunkten“ mit einem hohen AusländerInnenanteil durch zusätzliche Lern- und Freizeitmöglichkeiten bei dem Ausbau von Ganztagsangeboten. In Kooperation mit dem Arbeitsamt, der Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer und dem Jugendamt werden Orientierungshilfen für alle Frühabgänger und EntlaßschülerInnen angeboten. Diese Maßnahmen werden auch heute noch insbesondere von ausländischen Jugendlichen angenommen.

In der LehrerInnenfortbildung zielt die Arbeit der RAA insbesondere auf die Sensibilisierung der PädagogInnen für eigene Stereotypen, Vorurteile und den alltäglichen Rassismus in der Schule oder im Umfeld. Dahinter verbirgt sich das Bemühen um die Entwicklung eines Konzepts interkultureller Kommunikation, das nicht nur eingewanderte, sondern gerade auch deutsche Kinder, Jugendliche und LehrerInnen einbezieht. Es geht nicht länger darum, die vielbeschriebenen „Defizite der ausländischen SchülerInnen“ zu problematisieren, sondern individuelle Stärken und Schwächen wahrzunehmen. Es geht vor allem um Berücksichtigung und Austausch der Vielzahl der soziokulturellen Hintergründe und Verhaltensformen aller SchülerInnen. Dies konfrontiert die häufig ohnehin gestreßten LehrerInnen mit einer neuen, erst zu erarbeitenden Perspektive. Zwar gibt es Projekte und Unterrichtsmaterialien, die diese Unterrichtspraxis zunächst erleichtern können. Letztlich ist dies aber auch eine subjekte Konfrontation und Auseinandersetzung mit dem eigenen Denken, Fühlen und Handeln. Darüber hinaus stoßen solche Projekte auch an institutionell gegebene Möglichkeiten und Grenzen. Die RAA unterstützt und berät hier.

Auf die Frage, ob sich auch Schulen mit einem geringen Ausländeranteil, häufig die Gymnasien, an die RAA wenden, gesteht Ulrike Klingsporn-Demirer, daß dies, wenn überhaupt, fast immer von den SchülerInnen, selten jedoch von ihren LehrerInnen ausgeht. Als Anlaufstelle für Informationen über AusländerInnen oder die Asylgesetzgebung wird die RAA genutzt – darüber hinausgehende inhaltliche Diskussionen finden jedoch selten statt. Eine vom Institut für Schulentwicklungsforschung (Universität Dortmund) durchgeführte Untersuchung zur Interkulturellen Erziehung in Frankfurt/Main spiegelt eine ähnliche Situation wider: Auch dort machen Gymnasien Aspekte des Zusammenlebens in multikulturellen Gesellschaften eher über abstrakte Inhalte zum Unterrichtsgegenstand. Daß der „Problemdruck“ der Schulen hierbei eine nicht unerhebliche Rolle spielt, liegt auf der Hand. Er ist häufig der Motor für jegliche Form von Veränderung.

Inzwischen ziehen Ansätze zur Berücksichtigung der interkulturellen Erziehung in Schulen, auch in Berufsschulen, immer mehr das Interesse von LehrerInnen und Eltern auf sich – sei es, weil das Thema Rassismus so aktuell ist, oder mit Blick in die Zukunft, die zunehmende Wanderungsbewegungen und räumliche Mobilität verspricht. Sabine Hornberg

Die Autorin arbeitet am Institut für Schulentwicklungsforschung der Universität Dortmund.

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