: Die Schere bleibt geöffnet
■ Abschluß der Jahrestagung von Weltbank und IWF: Mahnungen an die Industrienationen, ihre Märkte für die Entwicklungsstaaten zu öffnen
Washington (AFP/dpa) – Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) haben am Donnerstag abend ihre Jahrestagung abgeschlossen. Noch immer, so Weltbankpräsident Lewis Preston, gelte es, die Armut der Welt zu bekämpfen. Michel Camdessus, Direktor des IWF, mahnte die Industriestaaten, „die Not in den Entwicklungsländern und Umbruchstaaten im Osten nicht aus den Augen zu verlieren“.
Die „bestmögliche Investition“ sei es sogar, die „Integration der Entwicklungsländer zu fördern“, sagte Camdessus an die Adresse der westlichen Regierungen. Dort fehlt allerdings der Glaube an diese Maxime. Zur selben Zeit korrigierte der Generalsekretär der OECD, Jean-Claude Paye, vor dem Europarat in Straßburg die Sommer-Wirtschaftsprognosen seiner Organisation nach unten. Die „Talfahrt der deutschen Wirtschaft“ sei noch nicht überwunden, dasselbe gelte für Japan. Der internationale Wettbewerb übersteige offenbar „die Kräfte vieler Unternehmen“, meint Paye.
Die Schere zwischen armen und reichen Staaten dürfte sich deswegen weiter öffnen. Viele Entwicklungsländer, so Weltpankpräsident Preston, hätten ihren Handel liberalisiert und suchten jetzt Absatzmärkte in den Industrieländern. Der „größte Impuls für die Weltwirtschaft“ würde von einem erfolgreichen Abschluß eines Gatt- Freihandelsabkommens ausgehen, mahnte Camdessus. Doch eine Einigung in den für die dritte Welt besonders wichtigen Fragen des Agrarhandels scheitert bisher am Streit der Agrargiganten der EG und USA. Peter Sutherland, Chef des Gatt, reist zur Zeit um die halbe Welt, um für einen Abschluß der Verhandlungen bis zum 15. Dezember zu werben.
Weit bessere Noten erteilte der IWF-Direktor der russischen Regierung. Auf dem „Weg zu einer Marktwirtschaft“ seien bedeutende Schritte unternommen worden. „Frustrierend“ findet es Weltbank-Präsindet Preston nur, daß die Verfassungsschwierigkeiten in Rußland derzeit die Freigabe von Krediten verhinderten. Die Weltbank hatte Rußland für das vergangene Jahr Darlehen in Höhe von 1,37 Milliarden US-Dollar bewilligt. Davon sei nur ein Dringlichkeitskredit von 600 Millionen US-Dollar vom russischen Parlament gebilligt worden. Trotz der innenpolitischen Krise in Moskau hat das amerikanische Repräsentantenhaus eine Vier-Milliarden- Dollar-Hilfe für Rußland genehmigt. Der Kredit ist Teil des amerikanischen Entwicklungshilfepakets, das in diesem Jahr um 900 Millionen Dollar niedriger ausfällt als 1992. Insgesamt sind nur noch Finanzhilfen in Höhe von 13 Milliarden US-Dollar vorgesehen. nh
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