piwik no script img

Lockere Hüfte

München (taz) – Bescheidenheit ist keine Zier, denken wohl fußballspielende Menschen des Staates Bayern: Einer von ihnen, Kostner mit Namen, verkannt in der Heimat, wanderte nach Norden zum HSV, um dort zu behaupten, er sei des „Kaisers“ bester Sohn. Der andere, Matthäus, kehrte als verlorener Sohn zurück in die Landeshauptstadt, um sich als schönster Libero titulieren zu lassen. Beide durften ihre Fähigkeiten im Wettstreit des HSV gegen die Bayern den zahlreichen Zuschauern darbieten. Kurz, der Hamburger Libero Kostner war einer der schlechtesten Spieler seiner Elf, und sein Gegenüber auch nicht der schönste. Wesentlich wichtiger für den Ausgang des Spieles erwies sich das Duell zweier junger Fußballspieler: Karsten Bäron, Mittelstürmer gegen Uwe Gospodarek, Torwart. Siegreich war der für den verletzten Aumann im Bayerntor stehende Gospodarek.

In den ersten 15 Minuten des Spieles erstocherte sich der langbeinige Bäron im Mittelfeld dreimal den Ball, um wie ein Storch allein auf besagten Torwart loszustelzen. Ließ er noch seinen Gegenspieler Kreuzer links bzw. auf dem Hintern liegen, so erstarrte er vor Gospodarek. Einmal wehrte der Torwart mit der Hand ab, zweimal setzte Bäron die Lederkugel ungeschickt neben das Tor. „Ich bin froh, daß mir niemand einen Vorwurf wegen der vergebenen Chancen macht“, meinte er hinterher, in sich zusammengesunken.

Jedoch war es nach Barons kläglichem Versagen mit der Herrlichkeit des HSV vorbei. Die Bayern stellten sich auf die Konter ein und versuchten, kreuz und quer spielend, die Hamburger einzuschläfern. Was vorbildlich gelang. Die gesamte Hintermannschaft der Norddeutschen schlief, vielmehr legte sich freiwillig auf das nasse Grün, um Helmer nach einer Ecke von Scholl die Führung zu ermöglichen. Begünstigt wurde das Tor durch den Ausfall von Kober, der verletzt den Platz verließ.

In der zweiten Halbzeit ließen sich die Bayern in die eigene Hälfte zurückfallen, um die Taktik der Hamburger aus der ersten zu übernehmen: geduldig auf einen Abspielfehler eines Hamburgers zu warten und zu kontern. Dies gelang ihnen erheblich erfolgreicher als dem HSV vorher. Alle drei weiteren Tore des FC Bayern verliefen nach diesem Schema. Dabei durfte der eingewechselte Kolumbianer Valencia, der zwölfte teure Starstürmer der Bayern in zwölf Jahren, ein Tor bejubeln. Im zweiten Versuch traf er, um daraufhin mit seinen Mitspielern Scholl und Ziege irgendwie südamerikanisch mit dem Hintern zu wackeln. Kann man dem Kolumbianer noch verzeihen, so wirkt die lockere Hüfte bei den jungen Bayernspielern, als hätte ihnen ihr Arzt Rückengymnastik verordnet.

Nach dem 2:0 von Schupp ergab sich der HSV seinem Schicksal: eine Viertelstunde gut gespielt, um dann vorgeführt zu werden, wie es Torhüter Golz formulierte. Trainer Möhlmann bejammerte seine Ausfälle auf der Verletztenbank sowie auf dem Platz und meinte, daß die Bayern dem HSV zeigten, wo es „noch fehlt“ in seiner Mannschaft. Anscheinend vor allem ein kaltschnäuziger Stürmer und das Glück der Bayern.

Werner Steigemann

HSV: Golz - Kostner - Kober (46. Bode), Babbel - Spörl, Hartmann, von Heesen, Sassen (75. Spies), Letschkow - Bäron, Ivanauskas

Zuschauer: 63.000 (ausverkauft), Tore: 1:0 Helmer (40.), 2:0 Schupp (63.), 3:0 Valencia (73.), 4:0 Scholl (80.)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen