Schlappe Einheitsfeier

■ Besucheransturm in Saarbrücken blieb aus / Nur 200 bei Gegendemo

Saarbrücken (taz) – Für das kleine Saarbrücken war vorher alles ganz aufregend. Die Polizei hatte die Bevölkerung per Flugblatt für den Feiertag sensibilisiert: „Politische und wirtschaftliche Repräsentanten besuchen das Saarland! Ganz Deutschland schaut auf Saarbrücken!“ Doch der erwartete große Besucheransturm blieb bis zum frühen Nachmittag aus. Gerade mal 30.000 Feierwillige hatten sich nach Schätzungen der Polizei bis zum frühen Nachmittag in die saarländische Landeshauptstadt verirrt. Die sonst so trink- und eßfreudigen Saarländer zeigten der Einheit die kalte Schulter. Schließlich ist das Saarland selbst erst 1957 zur Bundesrepublik gekommen, „und das“, so ruft ein verärgerter Anwohner aus dem Fenster am Festplatz, „haben wir auch nie groß gefeiert“. Für die meisten Einheitsfans dürfte Saarbrücken außerdem zu weit im Westen gelegen haben. Das gilt auch für die Kritiker: Zu einer Gegendemo am Samstag waren gerade 200 Mitglieder antifaschistischer Gruppen an die Saar gekommen. Daß ausgerechnet das Saarland mit seinem einheits-kritischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine den dritten Jahrestag der Vereinigung begehen mußte, hatte rein formale Gründe. Denn Lafontaine ist derzeit Bundesratspräsident und in dessen Land hat die Einheitsfeier stattzufinden. Und so versuchte sein Mitarbeiterstab der Feier einen „europäischen statt deutschtümelnden Touch“ zu geben. EG-Kommissionspräsident Jacques Delors war Ehrengast, die saarländischen Nachbarregionen Luxemburg und Lothringen in viele Kulturveranstaltungen eingebunden. Beim Festakt gaben sich die RednerInnen Lafontaine, Süssmuth und Delors weniger national als europäisch. Selbst der Kanzler klatschte bei Lafontaines kritischer Ansprache mehrmals laut. Zu guter Letzt machte sich Kohl auch noch um den Absatz des „Salzwedeler Baumkuchens“ verdient. Soviel davon hat die „völlig überraschte“ Frau vom Verkaufsstand in der Straße der Bundesländer nämlich schon lange nicht mehr verkauft. Frank Thewes