Und wie geht's arte?

■ Internationales Kolloquium in Paris zog Bilanz

Zwei Jahre nach dem Sendebeginn des deutsch-französischen Kulturkanals arte im deutschen Kabelnetz und ein Jahr nach dem Start auf terrestrischer Frequenz in Frankreich ist die Zeit einer ersten Bestandsaufnahme gekommen. Die Bilanz der schwierigen Anfangsphase zu ziehen und neue Ziele abzustecken war Gegenstand des Kolloquiums „arte und die Utopie Fernsehen“, das in Zusammenarbeit mit der Süddeutschen Zeitung und Le Monde letzte Woche im Pariser Goethe-Institut stattfand. Rund fünfzig Fernsehverantwortliche, darunter der ARD-Vorsitzende und neue Präsident der arte-Mitgliederversammlung, Jobst Plog, Medienexperten und Intellektuelle von beiden Seiten des Rheins sowie aus den Nachbarstaaten diskutierten über politische Perspektiven, europäische Erweiterungen, Bewältigung der Strukturprobleme und künftige Programmkonzepte. Wie der Leiter des Goethe-Instituts, Klaus- Peter Roos, erinnerte, wurde das „Kind der deutsch-französischen Zusammenarbeit nicht von allen Seiten mit lautem Jubel empfangen“, als arte 1992 gleichzeitig in beiden Ländern auf Sendung ging. Ebenso kritisch und teils polemisch waren die Reaktionen der französischen Presse gewesen, als der Kulturkanal im September 1992 die terrestrische Frequenz des Bankrott gegangenen Kommerzsenders La Cinq zugeteilt bekam und damit auf einen Schlag von 15 Millionen Haushalten empfangen werden konnte.

Doch wie die Diskussionsteilnehmer in Paris feststellten, hat sich trotz der sehr unterschiedlichen Fernsehstrukturen beider Länder die tägliche Praxis der Zusammenarbeit eingespielt. Die Qualität der Programme findet über die Landesgrenzen hinaus Anerkennung, und auch finanziell und politisch scheint die Zukunft von arte zumindest fürs erste gesichert zu sein.

Mit einem geradezu leidenschaftlichen Plädoyer für arte machte Paris-Botschafter Jürgen Sudhoff in seiner Eröffnungsrede klar, daß für die Deutschen die Existenzberechtigung eines öffentlich-rechtlichen Kulturfernsehens nicht mehr zur Diskussion steht. In Frankreich hatten mehrere neogaullistische Politiker den Jahrestag zum Anlaß genommen, um die Kritik an der vermeintlichen Verschwendung von Steuergeldern für einen „Minderheitensender“ wieder aufzuwärmen. Das Programmangebot sei „zu anspruchsvoll“, meinte Kulturminister Jacques Toubon und sprach klar aus, daß er einem derartigen Projekt nicht zugestimmt hätte. Doch da das Fernsehen seit dem Regierungswechsel ohnehin nicht mehr zum Kompetenzbereich seines Ministeriums gehört und Kommunikationsminister Alain Carignon ebenso wie Premierminister Edouard Balladur mit einem klaren Bekenntnis zu arte längst einen Schlußstrich unter die Kontroverse über eine eventuelle Rückbeförderung des Kulturkanals auf das Kabel gezogen hatten, entbehren derartige Äußerungen jeglicher Tragweite.

Ohne auf die Einschaltquoten der Konkurrenten zu schielen, will arte künftig einen breiteren Zuschauerkreis anpeilen. Das soll insbesondere mit anspruchsvollen Unterhaltungssendungen und Hintergrundberichten — auch zu sportlichen Ereignissen — erreicht werden, und nachdem sich die tägliche Nachrichtensendung und das wöchentliche Magazin „Transit“ als Erfolg erwiesen haben, soll ab April an fünf Wochentagen ein halbstündiges aktuelles Magazin zum Auftakt des Abendprogramms laufen. Die Programmgestaltung übernimmt künftig der bisherige Generaldirektor von La Sept/arte, Victor Rocaries, der letzte Woche von der Mitgliederversammlung zum Programmdirektor ernannt wurde.

Während der über Gebühren finanzierte deutsche Anteil am jährlichen Gesamthaushalt bis Ende 1995 mit 210 Millionen Mark gleichbleibt, hat Frankreich seine Beteiligung für 1994 um drei Prozent auf 1,006 Milliarden Franc erhöht. Die vergleichsweise höheren Aufwendungen Frankreichs erklären sich durch die Zusatzkosten für die terrestrische Ausstrahlung. Neue Finanzmittel will arte sich auch über Sponsoren erschließen, die sich ab 1994 an kulturellen Ereignissen oder gemeinsamen Produktionen beteiligen können. Nachdem im März die belgische RTBF assoziiertes Mitglied wurde, dürfte sich in den kommenden zwei Jahren auch die Schweiz anschließen. Reges Interesse besteht auch in Spanien, doch ein Beitrittstermin ist noch nicht anvisiert. Marianne Depierre