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Die Totenliste wird immer länger

■ Bei den bisher schwersten Kämpfen in Mogadischu fügen somalische Milizen den US-Versöhnungskurs / UNO hart

Mogadischu/Berlin (AFP/wps/ taz) – Die Schere zwischen Rhetorik und Realität in der US-Politik gegenüber Somalia wächst täglich. Wenige Tage nachdem US-Präsident Bill Clinton einen „Kurswechsel“ angekündigt hatte, kam es jetzt zur bisher schwersten Konfrontation zwischen US-Einheiten und somalischen Milizen. US- Truppen griffen ein vermutetes Hauptquartier der „Somalischen Nationalen Allianz“ (SNA), der politischen Organisation des steckbrieflich gesuchten Generals Aidid, an und nahmen 24 Menschen fest, darunter ein nicht näher genanntes SNA-Führungsmitglied. Sie verloren dabei mindestens zwei Kampfhubschrauber und fünf Soldaten. Die am Sonntag abend begonnene Operation, bei der auch Wohnviertel bombardiert und zahlreiche Somalis getötet wurden, folgte auf die Sprengung eines US- Militärfahrzeuges durch eine ferngezündete Mine nahe dem Bakkara-Markt im Süden Mogadischus. Die war wiederum eine Reaktion auf den „versehentlichen“ Beschuß eines Wohngebietes durch US-Hubschrauber.

Es herrscht Krieg in Mogadischu. Das Benadir-Krankenhaus ist nach dem Bericht eines Reporters des britischen Guardian voll von Verwundeten. „Sie töten alle. Wir haben 20 Tote nur in diesem Krankenhaus“, wird Krankenhausdirektor Abdirizak Hassan Ali zitiert. Aber auch die UNO- Truppen lassen immer mehr Federn. Ob tatsächlich „nur“ fünf US-Soldaten ums Leben kamen, ist keineswegs sicher. Sechs weitere werden noch vermißt. Beim Bakkara-Markt sollen gestern Siegesfeiern rund um Leichen weißer UNO-Soldaten stattgefunden haben, ein abgeschossener Pilot soll sich in SNA-Gefangenschaft befinden. Die UNO hat eine Nachrichtensperre verhängt. Den veröffentlichten Zahlen zufolge sind bis jetzt über 60 UNO-Soldaten, davon 16 US-Amerikaner, in Somalia ums Leben gekommen.

Was kann all dies bezwecken? Clintons Rede vor der UNO-Vollversammlung am Montag voriger Woche, in der er deutliche Grenzen für die US-Teilnahme an UNO-Militärmissionen setzte, hatte eine Diskussion über einen angeblichen Schwenk in der Somalia-Politik der USA ausgelöst, mit der zum ersten Mal die schon seit längerem verfolgte zweigleisige Strategie von offenem militärischem Druck und diskreten politischen Signalen in die Öffentlichkeit getragen wurde. Die UNO solle eine Politik verfolgen, „die die Angelegenheiten Somalias wieder in die Hände der Somalier legt“, hatte Clinton vor einem US- Kongreßausschuß erklärt – eine Selbstverständlichkeit, die von Beobachtern mit viel Wunschdenken als neue Erkenntnis gewertet wurde und bei UNO-Generalsekretär Butros Ghali sogleich die Alarmglocken schrillen ließ. In einem geharnischten Brief an Clinton warnte Ghali vor einem Zurückschrauben der US-Militäroperationen, insbesondere dem von Clinton angesprochenen Abzug der amerikanischen Schnellen Eingreiftruppe aus Mogadischu: „Ein Rückzug der Truppe würde meiner Meinung nach zu einem schnellen Zerfall der gesamten UNOSOM-Operation führen.“ Er wandte sich ebenfalls gegen die Idee, Aidid Exil in Äthiopien zu gewähren und den äthiopischen Nachbarn stärker in den politischen Prozeß in Somalia einzubeziehen: „Meine Kenntnis der Persönlichkeiten, um die es dabei gehen würde, erweckt in mir keinen Optimismus hinsichtlich der Durchführbarkeit solcher Lösungen.“ Der UNO-Somalia-Beauftragte Jonathan Howe erhielt dementsprechend am Wochenende beim äthiopischen Präsidenten Meles Zenawi eine Abfuhr. Statt der vorgeschlagenen neuen Somalia-Versöhnungskonferenz in Addis Abeba soll es nun lediglich ein Gespräch mit Hilfsorganisationen über die Umsetzung eines Weltbank-Entwicklungsplans für Somalia geben.

So scheinen die USA zum militärischen Erfolg verdammt. „Wir würden gerne nicht länger in Somalia bleiben“, sagte jetzt Verteidigungsminister Lee Aspin. Aber geschlagen abziehen – das wollen sie auch nicht. Doch die Zeit wird knapp. Bis zum 15. Oktober, Freitag nächster Woche, soll Clinton dem US-Kongreß eine Rechtfertigung für den verlustreichen US- Einsatz in Somalia liefern. Bis dahin muß diese Rechtfertigung erst noch gefunden werden. So eskaliert in Mogadischu die Hektik – und der Krieg. D.J.

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